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Schon von altersher wird richtig gelehrt, das Drama müsse eine

E i n h e i t des in ihm vorkommenden Mannigfaltigen, also der

Gestalten und deren Handlungen wie der Begebenheiten bilden.

Darum müsse eine Hauptperson, welche die Hauptbegebenheit trägt

und auf die alles abzielt, herrschen, sie müsse alles zur Einheit

zusammenschließen. Im Gegensatze zur größeren Einfachheit des

epischen Liedes erfordere das Drama, weil sich in ihm alles in

anschaulicher G e g e n w a r t abspielt, einen großen Reichtum

und größere Entfaltung, das heißt, auch größere Verwicklung der

Handlungen.

Diese Lehre können wir dahin zusammenfassen, daß die vollkom-

mene Gestaltung des Dramas drei Haupterfordernisse zu erfüllen

hätte:

1.

eine Hauptperson,

2.

eine Hauptbegebenheit und dementsprechend eine Haupthand-

lung; ferner seit Lessing

3.

einen steten Verlauf der Handlung. Letzterer wurde von Ari-

stoteles strenger gefaßt und als Einheit der Handlung (was nicht

dasselbe sein muß wie ihre Stetigkeit) bezeichnet.

Das über diese Erfordernisse hinausgehende, angeblich rein ari-

stotelische „Gesetz der drei Einheiten“, nämlich des Ortes, der Zeit

und der Handlung, welches die französischen Klassiker vor Lessing

zur Grundlage des Dramas machten, geht in Wahrheit über Aristo-

teles hinaus. Es ist durch Lessings Rückgang auf Shakespeare über-

wunden. Wir können es hier beiseite lassen.

Die in obigen drei Punkten niedergelegte Lehre enthält zweifel-

los wahre Richtlinien, aber sie kann schon deswegen keine strenge

Gültigkeit beanspruchen, weil sie keine Begründung, keinen Grund-

satz der Ableitung findet. Ginge sie von der Eingebung und deren

Erfassung mittels der Urgestalt aus, dann ergäben sich andere Ein-

sichten in die Gliederung der Gestalten.

Weder die alten, von Aristoteles abgeleiteten Regeln der franzö-

sischen Klassiker, noch die gemäßigten, wie sie seit Lessing versucht

werden, entsprechen denn auch genau der Erfahrung. In Shake-

speares „Sommernachtstraum“ z. B. gibt es nicht eine Hauptperson,

sondern zwei Paare, ein menschliches und ein übermenschliches,

welche das Stück beherrschen; in Schillers „Braut von Messina“ sind

es zwei feindliche Brüder; in Nestroys „Zwillingen“ ebenfalls zwei