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d u r c h a l l e E n t s p r e c h u n g e n n ä h e r e r u n d f e r -

n e r e r O r d n u n g h i n d u r c h u n d d a m i t a u c h

u n t e r g e t r e u e r F e s t h a l t u n g d e r g r u n d l e g e n -

d e n E i n g e b u n g z u b i l d e n .

Erst aus dieser Festhaltung entsteht das, was man bisher als Ein-

heit, Folgerichtigkeit und Motivierung im Drama fälschlich trennte.

Hiermit sind alle Aufgaben, die der dramatische Dichter zu erfül-

len hat, von ihrer Wurzel her verstanden, Einheit und Vielfalt,

Regel wie Ausnahme erklärt.

Dagegen zeigen sich, wir wiederholen es, die bisherigen Regeln

von Aristoteles bis Lessing und seinen Nachfolgern im wesentlichen

als technische oder doch als mehr äußerliche Anweisungen, als Faust-

regeln, welche keine hinreichende Begründung aus dem Wesen des

Schönen und der dramatischen Kunst im besonderen erfuhren.

Noch schlimmer steht es mit jenen Regeln, welche bisher für die

Gliederung der E n t f a l t u n g i n d e r Z e i t auf gestellt wur-

den. Hier pflegt man etwa zu unterscheiden: die Einleitung oder

Exposition; das aufregende Moment; die Steigerung in mehreren

Stufen; das tragische Moment; die Umkehr (Peripetie), abermals

in Stufen; Katastrophe; endlich der Schluß.

Diesen und ähnlichen Unterscheidungen muß man großen Scharf-

sinn und Eindringlichkeit gewiß zugestehen! Sie erscheinen umso

bemerkenswerter, als sie auch mit den Erfahrungen und Unterschei-

dungen jener Kunst einigermaßen Übereinkommen, welche man

R h e t o r i k nennt. In dieser werden bekanntlich unterschieden:

die sogenannte captatio benevolentiae, das ist die Erwerbung des

Wohlwollens und der Anteilnahme des Zuhörers; die sachliche

Einleitung; die Abhandlung der Sache selbst (die wieder in mehrere

Abteilungen getrennt zu werden pflegt); endlich der Schluß, welcher

selbst wieder verschiedenen Regeln folgen kann, indem er als Zu-

sammenfassung oder als letzter, hinreißender Aufschwung oder aber

als langsames Ausklingen (so z. B. in Platons „Gastmahl“, das aller-

dings keine Rede ist) gestaltet wird.

Jedem Anfänger werden damit goldene Regeln verkündet und

namentlich ist damit auch eine erziehliche Kraft verbunden. Den-

noch handelt es sich auch hier, wir wagen es zu sagen, mehr um

praktische, oft erprobte Muster als um Gestaltungsgesetze, die von

innen her verstanden wären. Daher sie denn auch keineswegs streng

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