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Das Wesensgemäße schreibt jeweils der Sinngehalt der Eingebung
und der daraus abgenommenen Urgestalt vor.
Überall sehen wir, wie erst die Unterscheidung von Eingebung,
Urgestalt und der darin beschlossenen Entsprechungs- oder Folge-
gestalten näherer und fernerer Ordnung über jene Faustregeln und
unzulänglichen Allgemeinheiten, welche die bisherige dramatische
Gestaltenlehre vorträgt, hinausführt.
Ehe wir dies an Beispielen noch näher dartun, fassen wir das Bis-
herige nochmals kurz zusammen.
(a)
Die U r g e s t a l t bestimmt alles. Ist sie rein aus der Ein-
gebung erflossen, so gibt sie allem L e b e n u n d W i r k l i c h -
k e i t . Denn was als Wahrheit im Wissen zugleich die Bedingungen
des Daseins, der Wirklichkeit angibt, äußert sich als jene Schönheit
in der Kunst, welche zugleich als wirkliches Dasein auftritt (Ri-
chard III. ist kein Hirngespinst, sondern innere Wirklichkeit in
vielen Menschen!).
Insbesondere ist keine dramatische F o l g e r i c h t i g k e i t
ohne den steten Impuls der geistigen Urgestalt möglich. Wie die
Urgestalt nur durch treues Festhalten an der Eingebung aus dieser
ihre Nahrung zieht (bei vollem Eigenleben der Gestalt selbst), so
auch alles übrige.
(b)
Die E n t s p r e c h u n g s -
u n d
F o l g e g e s t a l t e n .
Es ist die ausgestaltende Arbeit des Künstlers, die in der Urgestalt
schlummernden und, wie wir auch sagen können, m i t g e m e i n -
t e n G e s t a l t e n zutage zu fördern. Man nennt das meist die
„Erfindung“ des Dichters. Dem kann man auch nicht widersprechen.
Aber man muß sich dabei dessen bewußt sein, daß es sich da um
nichts anderes als um E r h e l l u n g , E r w e c k u n g der in der
Urgestalt eingeschlossenen Teilgestalten handelt. Diese Dazugehö-
rigkeit aller Folgegestalten zu der Urgestalt, welche wieder ganz
auf die Eingebung gesammelt ist, sie allein ergibt die Folgerichtig-
keit, Einheit des ganzen Dramas. — Und so sinngemäß in allem
Schönen, in jeder Kunstgattung.
Daraus ergibt sich
(c)
der G l i e d e r b a u d e r E n t f a l t u n g im dramati-
schen Fortschreitungsgange. Die Frage ist bei dieser Betrachtungs-