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Brüder, durch deren stete Verwechslung (da sie einander sehr ähnlich
sehen, wobei sie doch von verschiedener Gemütsart sind) die Ent-
wicklung des Ganzen beherrscht wird; und gar in Schillers „Tell“
muß sich der Hauptheld, Tell selbst, mit dem Volke (Rütliszene!),
dem Adel und einem Liebespaare in die Rolle der Hauptperson
teilen!
Jene „Gesetze“ können also nur mit Einschränkungen gelten, sie
bleiben überdies im Allgemeinen stecken. Und überhaupt, da sie,
wie gesagt, nicht aus einem Keime, einem Grundbegriffe entwickelt
sind, können sie nur als F a u s t r e g e l n gelten.
C.
Das S c h ö n e a l s F o r t g e s t a l t u n g
d e r U r g e s t a l t
Anders, wenn wir von der Eingebung und der sie erfassenden
Urgestalt als den Keimen jedes Kunstwerkes ausgehen! Dann ergab
sich bereits das Schöne und besonders das Drama:
1.
als Urgestalt, die unmittelbar der Eingebung abgenommen ist;
2.
als Inbegriff von Entsprechungs- und Folgegestalten näherer
und fernerer Ordnung, welche schlummernd in der geistigen Urge-
stalt schon enthalten sind oder von ihr gefordert werden.
Durch diese Begriffe erscheint nun alles in einem anderen Licht,
die ganze Denkaufgabe erhält ein anderes Ansehen.
Die U r g e s t a l t k a n n n u n j e n a c h d e m S i n n -
g e h a l t e d e r E i n g e b u n g d u r c h e i n e o d e r m e h -
r e r e P e r s o n e n d a r g e s t e l l t w e r d e n .
Es kommt nur darauf an, daß alles im Drama von der geistigen
Urgestalt a b g e l e i t e t werde (und zwar dem Sinngehalte der
Eingebung gemäß). Geschieht dies, gelingt dies, dann ist die Einheit
des Dramas von selbst gewahrt, dann ist notwendig alles aus einem
Gusse!
Wir können diese Einsicht als das g r u n d l e g e n d e G e s t a l -
t u n g s g e s e t z des Dramas, wie im übertragenen Sinne aller
Kunstgattungen, bezeichnen:
A l l e s a n P e r s o n e n , H a n d l u n g e n , B e g e b e n -
h e i t e n , O r t e n , Z e i t v e r l ä u f e n d e s D r a m a s i s t
u n t e r F e s t h a l t u n g d e r g e i s t i g e n U r g e s t a l t