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weise des Dramas nicht mehr nach Anzahl der Personen, nach Ein-

heit oder Mehrheit von Orten, Zeiten, Begebenheiten, Verhängnis-

sen; auch nicht nach Art der Exposition, Steigerung und dergleichen.

Es handelt sich vielmehr einzig und allein um das eingebungstreue

Emporwachsen aus einer Wurzel; es handelt sich, nicht nur um eine

A u s g l i e d e r u n g , sondern auch um eine U m g l i e d e r u n g ,

welche ihr Werk zum sinngemäßen Ende führen muß. Da kein

Ende in diesem Leben das allerletzte ist, muß auch der Tod mit

einem Ausblicke verbunden sein. Und daher schreibt sich die beson-

dere Bedeutung des Schlusses als Gestaltungsaufgabe in der dramati-

schen und erzählenden Kunst.

Die geistige Urgestalt ist die stets treibende A u s g l i e d e -

r u n g s m i t t e im Gliederbau der Gestalten; sie liegt aber auch

der

U m g l i e d e r u n g s m i t t e

(Entfaltungsmitte)

zugrunde,

welche allerdings eine Verwandlung der Ausgliederungsmitte inso-

fern genannt werden kann, als sie nur für den im Drama behan-

delten Zeitverlauf gilt.

Die Aus- und Umgliederungsmitte ist weniger eine „Einheit“,

die nach Kennzeichen von Ort, Zeit, Personen und dergleichen zu

bestimmen wäre, als vielmehr ein stets sich selbst getreuer S c h ö p -

f u n g s g r u n d der Gestaltung wie der Umgestaltung, Entfal-

tung.

Künstlerische Einheit der Gestalten ist demnach niemals „Zusam-

menfassung einer Mannigfaltigkeit“; vielmehr muß sie aus einem

Quellpunkte fließen; und dieser ist die aus der Eingebung sich näh-

rende Urgestalt.

Aus diesen Voraussetzungen allein folgen die G e s e t z e der

Gestaltung und Entfaltung des Dramas wie jedes anderen Schönen,

das der Zeitkunst angehört. Im übertragenen Sinne gilt dasselbe

sogar für die Raumkünste, welche die Zeit nur mittelbar in sich

einschließen. Auch die Gesetze der Gestaltung sind demnach aus der

S c h ö p f u n g s t a t des Künstlers zu begreifen, welche wieder

nach Kultur und Stilrichtung sich ändern und abwandeln muß.

Hieraus ist auch das Verhältnis der ursprünglichen, schöpferischen

Tat des Künstlers zu seiner darauffolgenden Ausgestaltungsarbeit zu

verstehen, welche auch mit Studien, Erfahrungen, Fleißarbeiten ver-