Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8232 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8232 / 9133 Next Page
Page Background

172

seine Verbitterung, er, der schwer Gekränkte, haßt nicht mehr,

vergilt nicht mehr mit Strafe, sondern er e r z i e h t seinen Feind,

er vergilt mit Wohlwollen und stiftet Liebe.

Die Eingebung, welche hier zugrunde liegt, ist die Verklärung

des Menschen, welcher sich aus weltlichem Schmerze befreit und

Liebe, Wohlwollen zu ihr in seinem Herzen trägt.

Die U r g e s t a l t , in der dieser Eingebungsgehalt erscheint, ist

Prospero, ein Mann, welcher der Würde nach und in den freien

Künsten (nämlich des lichten Zaubers) „ganz ohnegleichen war“,

welcher „dieser nur beflissen ... verzückt und hingegeben geheimen

Studien“ war (I, 2). Er ist der abgeklärte Weise, der auf das Treiben

der Welt und des Lebens von geistiger Höhe hinuntersieht:

Wir sind von solchem Stoff,

Aus dem man Träume macht; dies kleine Leben

Umfaßt ein Schlaf. (IV, 1)

Und gegen seine Feinde sagt Prospero:

Obschon ihr Frevel tief ins Herz mir drang,

Doch nehm’ ich gegen meine Wut Partei

Mit meinem edlern Sinn: Der Tugend Übung

Ist höher als der Rache; daß sie reuig sind

Erstreckt sich meines Anschlags einz’ger Zweck,

Kein Stirnrunzeln weiter. (V, 1)

Diesem Weisen, als der Urgestalt des Dramas, ist die Zauber-

macht gegeben, auf die Welt zu wirken.

Die E n t s p r e c h u n g s g e s t a l t e n dazu sind im „Sturm“

nicht schwer zu finden. Das Gegenbild Prosperos ist Caliban, ein

fühlloses Scheusal; der Kränkende und Betrüger, Antonio, und die

ihn umgebenden Staatsmänner sind die Gestalten, welche jene Lauf-

bahn, die Prospero in der Welt durchmachen mußte, verkörpern;

Tochter und Eidam Prosperos- entsprechen als Gestalten der geläu-

terten Liebesgesinnung Prosperos und werden, um das Geschick zu

versöhnen, als Liebespaar einander verbunden; die Naturgeister

endlich entsprechen als Gestalten der zauberhaften Wirkungsmacht

Prosperos und zeugen gleichzeitig von der Weltüberlegenheit und

Abgeklärtheit ihres Meisters.

Im Gegensatze zu „Macbeth“ und der „Jungfrau“ ist der Fort-

schreitungsgang der Entfaltung hier kein stürmischer und verwin-

kelter. Die E n t f a l t u n g t r i t t v o r d e r G r ü n -