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d u n g v e r h ä l t n i s m ä ß i g z u r ü c k , denn sie ist in die-

ser bereits klar vorgezeichnet.

Das folgerichtige dramatische Geschehen, welches dem Leben

dieses Gliederbaues von Gestalten entquillt, bringt alle Unbill des

Lebens zur Versöhnung. Jeder, so sagt Prospero zuletzt, fand durch

Leiden hindurch das Seine.

Wir all’ uns selbst, da niemand sein war.

... all of us (found) ourselves

When no man was his own.

6. Faust

Lehrreich in der Gestaltengliederung ist besonders auch G o e -

t h e s „F a u s t“. Betrachten wir zuerst nur die Monologe. In

ihnen haben wir das Erhabenste der Dichtung aller Zeiten vor uns.

Goethe schöpft unmittelbar aus den innersten Tiefen seines Geistes,

aus den Eingebungen, welche sein eigenes Leben erfüllen.

Die Urgestalt ist Faust selbst. Seinem Ringen um den Sinn des

Lebens entspricht die gewaltige Gestalt des Erdgeistes. Sie ist ein

Wunder von Gestaltungskraft. Dem Zweiflerischen, Verneinenden

im Faust entspricht Mephisto, der zuerst noch klein, als Pudel

erscheint. Das Gegenbild Faustens, der Famulus Wagner, vertritt die

eingebungslose Gelehrsamkeit, die „froh ist, wenn sie Regenwürmer

findet“; der Ostergesang eine erlösende, von oben kommende Kraft.

— So haben wir gleich anfangs eine kleine Welt von Gestalten,

welche alle wesentlichen Vermögen des faustischen Geistes in sich

fassen.

Im weiteren Verlaufe des Dramas kommen nach und nach alle jene Gestalten

zum Vorschein, welche aus dem gewaltigen Ringen um das Höchste eines in sich

uneinigen Gemütes entspringen. Faust setzt, so lange eine Ader in ihm lebt, alles

daran, zur inneren Erkenntnis, Klarheit und Einheit zu gelangen. Er durchrast die

Welt und scheut vor nichts, auch vor dem Bösen nicht zurück, als einem letzten

Mittel, das Ziel höchster Erkenntnis zu erreichen. Die innere Entwicklung

Faustens erfordert dabei immer neue Gestaltungen; wofür der Fortschritt von

Gretchen bis zu Helena bezeichnend ist. Es würde viel zu weit führen, auf

diesen bunten Gestaltenreigen einzugehen. Meistens erklärt sie sich unschwer aus

der inneren Welt Faustens selbst, zum Teil auch aus dem durch das Eigenleben

der Gestalten gegebenen Erfordernissen, indem z. B. Valentin aus Gretchens

Umwelt gefordert wird.