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Im „Faust“ sieht man deutlich die F r e i h e i t des Dichters, es
auch anders wenden zu können, weil der ungeheure Reichtum eines
großen Lebenskampfes sie am meisten zur Geltung kommen läßt.
Nirgends so wie an den Beispielen des „Faust“, des „Sturmes“
und der „Jungfrau“ wird auch die m e n s c h l i c h e G r ö ß e
offenbar, welche vom Künstler gefordert wird! Innere Größe des
Künstlers muß der Tiefe der Eingebung zur Seite stehen, um ein
großes Kunstwerk zu schaffen. Zu solcher Größe gehört aber Bil-
dungsfülle. (Heute prahlen viele Künstler mit Unbildung!)
Innere Größe und Bildungsfülle erhebt Goethes „Faust“ vor allen
anderen zu unerreichbarer Höhe.
7. Die griechische Tragödie
Auch an der g r i e c h i s c h e n T r a g ö d i e bewährt sich
unsere Zergliederung. Das Wesentlichste an ihr ist: Sie ist ein G o t -
t e s d i e n s t ; also nicht Drama im neuzeitlichen Sinne (worauf
wir später noch zurückkommen).
Die Eingebung sammelt sich demgemäß auf die Lenkung durch die Götter,
auf das S c h i c k s a l , welches von den Göttern kommt. Die griechische Tra-
gödie ist daher besonders jenen neuzeitlichen Schauspielen verwandt, die einen
Auftrag von oben kennen. Je mehr das Schicksal in den Vordergrund tritt, umso
mehr kann der Charakter des Helden, das heißt das Psychologische, zurücktreten.
Dabei sind unseres Erachtens allerdings Charakter und Schicksal grundsätzlich
in Übereinstimmung.
Demgemäß ist die Urgestalt, die Hauptperson, in besonders naher Beziehung
zur schicksalsbereitenden Gottheit. Das muß sich wieder in den Entsprechungs-
gestalten geltend machen.
Ähnliches gilt endlich vom a l t i n d i s c h e n D r a m a , schließlich allgemein
von der Kunst ferner Zeiten.
In diesem Zusammenhange ist auch der m i t t e l a l t e r l i c h e n M y s t e -
r i e n s p i e l e zu gedenken, deren letzte Reste ja noch in unsere Zeit herein-
ragen. Die Hauptgestalten sind hier die heiligen Personen selbst, das Drama ist
in der heiligen Geschichte vorgebildet, in welcher ja dem Christus einerseits die
Jünger, andererseits der Judas entsprechen. (Oberammergau, die Passionsspiele
Bachs und andere.)
Die religiöse Ausrichtung solcher dramatischer und musikalischer Spiele be-
stimmt nicht nur die Eingebung, sondern hat bereits die Gestalten vor sich,
welche mehr oder weniger streng zu übernehmen sind. Wesentlich ist hier auch,
daß der Künstler damit rechnet, sein Stoff und seine Gestalten seien allen Zu-
hörern bekannt.