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die Mittel der Gestaltungsebenen „sinnbildlich“. Das genügt aber

nun nicht mehr. Zu begreifen, daß Kunst und besonders die bil-

dende Kunst imstande sei, die Innerlichkeit des Menschen von der

Seite der Leiblichkeit her und die Naturseele der Dinge von eben-

derselben Leiblichkeit und Stofflichkeit her darzustellen, dazu be-

darf es einer n a t u r p h i l o s o p h i s c h e n Besinnung!

Wer Kunst begreifen will, muß als eine naturphilosophische

Grundwahrheit anerkennen, daß es ein i n n e r e s V e r h ä l t -

n i s d e r S i n n e s e m p f i n d u n g e n z u d e n v o n i h n e n

w a h r g e n o m m e n e n N a t u r t a t s a c h e n g e b e !

Wer die Sinnesempfindung nur von jenen äußeren Entstehungs-

bedingungen her ansieht, welche uns die Naturwissenschaften leh-

ren, der kann die Wirkungen der Kunst nie begreifen!

Was die Physik und die naturwissenschaftliche Physiologie als

Geschehen im Auge, Ohr und den anderen Sinnesorganen beim

Wahrnehmen lehren, ist gewiß richtig und unwiderleglich; aber es

ist nicht das Ganze. Vielmehr: Es besteht darüber hinaus ein v e r -

b o r g e n e r i n n e r e r Z u s a m m e n h a n g zwischen dem

geist-seelischen Leben des Menschen und seinem organischen Leibes-

leben sowie dem organischen und dem anorganischen Naturge-

schehen!

Und dieser Zusammenhang ist es, welcher allein Kunst, besonders

bildende Kunst möglich macht. Denn auch die Dichtkunst und Ton-

kunst ist ja darauf angewiesen, daß die Töne, Betonungen, Zeit-

folgen der Sprache imstande seien, innere Zustände darzustellen, zu

gestalten. Wie könnte aber der Geist sie sich unterwerfen, sie sich

dienstbar machen, wenn sie nicht in irgendeiner Weise e i n

W i d e r g l a n z v o n i h m s e l b s t w ä r e n ? Nur dadurch

sind sie als Gestaltungs- und Darstellungsmittel „geeignet“!

Ohne eine innere Zuordnung von Seele und Natur, von Geist

und Stoff wäre es schlechthin unmöglich, jenes in sich selbst Ver-

borgene, jenes Innere, welches die Eingebung uns in Menschen und

Dingen kennen lehrt, durch Gestaltungen mittels der Naturbeschaf-

fenheiten zu offenbaren.

Denkt man die aus der Einteilung der Künste nach ihrer Fähig-

keit, das Geist-Seelische des Menschen und die Innerlichkeit der

Natur darzustellen, sich ergebenden Gedankengänge zu Ende, so

kommt man auf den uralten B e g r i f f d e r W e l t s e e l e !

19 Spann, 19