313
erkennen daraus, daß und wie sehr die Sturm- und Drangzeit auch
eine mystische Tiefe hatte, welche sich in der Romantik wieder
auftat. — Wir erinnern auch an die bekannte „Morgenandacht“ des
Mystikers K n o r r v o n R o s e n r o t (1636—1689):
Morgenglanz der Ewigkeit,
Licht vom unerschöpften Lichte,
Schick uns diese Morgenzeit
Deine Strahlen zu Gesichte:
Und vertreib durch deine Macht
Unsre Nacht
1
.
T e r s t e e g e n feiert die heimlichen Wege der Seele:
Es schweige Welt und Kreatur!
Dich will ich feiern, rede nur
2
.
Und der junge H e g e l :
Aus „Eleusis“. An Hölderlin
... Mein Aug’ erhebt sich zu des ew’gen Himmels Wölbung,
Zu Dir, o glänzendes Gestirn der Nacht!
Und aller Wünsche, aller Hoffnungen
Vergessen strömt aus deiner Ewigkeit herab.
Der Sinn verliert sich in dem Anschaun.
Was mein ich nannte, schwindet.
Ich gebe mich dem Unermeßlichen dahin.
Ich bin in ihm, bin alles, bin nur es
3
.
Und wie vieles wäre von N o v a l i s anzuführen: „Wenige
wissen — Das Geheimnis der Liebe ... Des Abendmahls — Gött-
liche Bedeutung — Ist den irdischen Sinnen Rätsel;.. .“
4
. — „Aus
Kraut und Stein und Meer und Licht — Schimmert sein kindlich
Angesicht“
5
. — Diese und andere seiner Dichtungen sind zu be-
kannt, als daß wir sie hier belegen müßten.
Auch die Naturdichtung E i c h e n d o r f f s gehört in unseren
Umkreis. Seine „Ruhe der Nacht“ z. B. gibt der mystischen Emp-
findung der Aufgehobenheit des Kriegers in der vorgeschobenen
Feldwache Ausdruck:
1
Mystische Dichtung aus sieben Jahrhunderten, S. 284.
2
Mystische Dichtung aus sieben Jahrhunderten, S. 325.
3
Mystische Dichtung aus sieben Jahrhunderten, S. 350 f.
4
Novalis’ Schriften, herausgegeben von J. Minor, Bd 1, Jena 1907, S. 87.
5
Novalis’ Schriften, . . . , S . 8 2 .