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wollen (wie im Grunde jede Kunst). Viele ägyptische und buddhi-

stische Standbilder z. B. sind darum meinem Erachten nach erst

dann völlig verständlich, wenn man erkennt, daß der dargestellte

Heilige, Held oder Gott als in m y s t i s c h e r V e r s e n -

k u n g b e g r i f f e n vom Künstler dem Beschauer vorgestellt

wird! Da der europäische Beschauer (einschließlich des Kunst-

geschichtlers) davon meistens nichts weiß, so bleibt ihm schon darum

der ganze Stil jener alten Zeiten und Völker fremd.

Umso schlimmer, wenn die naturalistische Gegenwartskunst in

ihrer Primitivität und Dämonie zugleich — beides gehört irgend-

wie zusammen — solche Stile nachahmen will, ohne ihren heilig-

mystischen Sinn auch nur entfernt zu ahnen!

Es ist lehrreich zu sehen, wie sehr sich mit der mystischen Durch-

dringung des Schönen doch auch größte N a t u r t r e u e verbin-

den läßt. Das lehrt die Gotik in manchen Belangen, besonders deut-

lich aber G r ü n e w a l d . Andererseits ist festzuhalten, daß unter

gewissen Umständen dasselbe Ziel auch mit bloßen Sinnbildern, ja

Allegorien erreicht wird, wie z. B. Dürers „Melancholie“ eindring-

lich beweist; ebenso wie die indische Kunst, indem sie z. B. durch

viele Arme und Beine, die sie e i n e m Gotte jeweils gibt, das

pantheistische Wirken desselben andeutet.

Bisher faßten wir das Mystisch-Schöne als den Audruck vor-

waltender Rückverbundenheit überhaupt ins Auge. Nunmehr haben

wir aber dessen B e s o n d e r u n g e n zu entwickeln, als welche

wir früher schon nannten: das Erlösend-Schöne und das Tragisch-

Schöne. Auch diese Besonderungen sind nur aus der Rückverbun-

denheit zu verstehen.

2

2. Das Frohlockend-Schöne und das Tragisch-Schöne

a. B e g r i f f l i c h

Was mich persönlich zur Unterscheidung des Frohlockend-Schö-

nen als einer eigenen Sonderart oder Kategorie des Tragisch-Schönen

anregte, war die Beobachtung der großen O p e r n s c h l ü s s e

M o z a r t s . Sie bestehen aus einem Gebet und darauf unmittelbar