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dung finsterer Mächte der Tod besiegt und die mystische Wieder-
geburt erlangt — das Mystisch-Schöne ist Bestandteil dieser Dich-
tungen. Allerdings wird das Esoterische im exoterischen Mantel
verhüllt. — W o l f r a m s Parzival erreicht im mystischen Grale
sein Ziel. D a n t e s Göttliche Komödie (so genannt wegen des se-
ligen Endes) führt von der Hölle zum Himmel. C a l d e r o n s ,
von Eichendorff übersetzte „Geistliche Festspiele“ zeugen von
christlicher Mystik und sind ohne diese nicht denkbar. Goethes
„West-östlicher Diwan“ und die Himmelsszene im „Faust“ bilden
das Mystisch-Schöne zur Vollgestalt. Des Novalis „Heinrich von
Ofterdingen“ und „Lehrlinge zu Sais“, ferner manche Dichtungen
T i e c k s und anderer Romantiker kreisen um das Mystisch-
Schöne. — In der altindischen Dichtung gar werden Epen und Dra-
men bekanntlich davon beherrscht, wir erinnern nur an K a 1 i d a -
s a s „Sakuntala“ und an das Heldenepos „Mahabharatam“, welches
sogar große eingelegte philosophische Gespräche als Teile hat.
Von der mystischen Lyrik des persischen S u f i s m u s gaben
wir schon oben eine Probe (Dschelaleddin Rumis).
In der M u s i k ist das Mystisch-Schöne von ältesten Zeiten her,
unter anderem auch sichtlich bei den Chinesen, lebendig. Alle gro-
ßen Musiker von P a l e s t r i n a u n d B a c h b i s S c h u b e r t
u n d B r u c k n e r könnten wir als Zeugen dafür anrufen. Wir
begnügen uns, auf H ä n d e l s „Halleluja“, G l u c k s „Reigen
der seligen Geister“, H a y d n s „Schöpfung“, auf Stellen in den
klassischen Passionen und Messen, auf Mozarts Chor „O Isis und
Osiris“ und sein Ständchen in „Cosi fan tutte“ (später als „Ave
Maria“ verwendet), Schuberts Lieder „Ave Maria“ und „Dem
Unendlichen“ hinzuweisen; denn jede planmäßige Aufzählung
wäre notgedrungen allzu zahlreich!
In der M a l e r e i bilden die Werke Giottos, Fra Angelicos,
Philippo Lippis, Michelangelos (die Sixtinischen Deckengemälde),
Leonardos, besonders auch die Gemälde altdeutscher Maler auf
Goldgrund (man denke nur an Stefan Lochners Madonna im Rosen-
hag), vor allem aber Grünewalds Colmarer Altar großartige Denk-
mäler des Mystisch-Schönen. Diese kleine Auswahl beweist schon,
daß das Salz einer wenn auch verborgenen Mystik keinem wahr-
haft großen Werke der Malerei fehlen kann. Dürers „Ritter, Tod