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stellt die heilige Geschichte in ihren Grundzügen dar. Man kann

allgemein für das Wesen des Gottesdienstes die Formel aufstellen

1

:

Göttliche Weltordnung = Opferordnung = Rechtsordnung (Gemeinschafts-

ordnung)

Was folgt daraus für das Schöne und das Drama? Zuerst: Sein

Ursprung aus dem Gottesdienste ist kein geschichtlicher Zufall, ent-

spricht vielmehr seinem innersten Wesen, einem Wesen, welches

dem Drama und aller Kunst irgendwie immer anhaftet, niemals

gänzlich verleugnet werden kann.

Allgemein gilt hier: Jede heilige Geschichte, die in der Mitte

einer Religion steht, enthält Grundzüge des Leidens der Welt, von

welchem sie zuletzt durch die Gottheit befreit, e r l ö s t wird! —

Eine Einsicht, die verdiente, zum Allgemeingut der Bildung zu

gehören!

Daraus folgt nun zwingend: Die U r p r ä g u n g d e s D r a -

m a s i s t n i c h t s c h l e c h t h i n d e r U n t e r g a n g d e s

H e l d e n , v i e l m e h r s e i n e e n d l i c h e E r r e t t u n g ,

E r l ö s u n g , A u f e r s t e h u n g ! Das ist der letzte Kern des

großen griechischen Dramas, zuletzt aller hohen Kunst überhaupt.

Wir werden das sogleich näher belegen, verweilen aber vorher

noch im Grundsätzlichen, auf das wir hier stoßen. Es ist dies die

Bedeutung der vielumstrittenen aristotelischen „K a t h a r s i s“,

das ist Reinigung, Sühnung. Wie kommt dieser Begriff in die kunst-

philosophische Theorie der Tragödie?

Nach Aristoteles bewirkt die Tragödie „durch Mitleid und Furcht

die Reinigung (κάύασφις

)

von diesen Leidenschaften“ (Affekten)

2

.

Merkwürdigerweise fragt man nicht darnach, wieso Aristoteles ge-

rade zu dieser Begriffsbestimmung komme und von Leidenschaften

(Affekten) anstatt etwa vom zermalmenden Schicksal rede. Der

Streit der Ausleger geht vielmehr seit langem und bis heute darum,

ob Aristoteles damit die Reinigung der Affekte selbst, nämlich im

Sinne einer Beruhigung, Herabstimmung, oder die subjektive Rei-

nigung der Seele des Zuschauers meinte. Goethe verlegt sie in den

Helden, was zweifellos sinnvoller ist, aber den Kern der Sache noch

1

die am angeführten Orte begründet wurde.

2

Aristoteles: Poetik 1449 b, 23 ff.