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Auch die altindische „Sakuntala“ von Kalidasa zeigt den deus ex
machina!
Es wurde bisher meines Wissens nicht beachtet, daß das grund-
sätzlich gleiche Bild des Frohlockens, der Erlösung die christlichen
Mysterien- und Passionsspiele zeigen, ferner auch Calderons schon
erwähnte geistlichen Spiele.
Noch mehr! Auch Schauspiele wie der „Sommernachtstraum“ und
der „Sturm“ von Shakespeare, ferner sogar die „Iphigenie“ von
Goethe haben in ihrer Art einen deus ex machina; sie alle sind daher
Beispiele des Frohlockend-Schönen.
4.
Das Tragisch-Schöne: das Schauspiel mit erlösendem Ausgange
bei Untergang des Helden oder die Tragödie im engeren Sinne
Auch in der Tragödie, in welcher der Held untergeht, nimmt er
dennoch an der vom Gotte der Welt errungenen Befreiung, Erlö-
sung und Reinigung teil. Aber er erkauft diese Teilnahme zugleich
mit seinem Untergange.
Die „Reinigung durch Mitleid und Furcht“, wie Aristoteles
diese Teilnahme bezeichnete, geschieht stets durch die Versöhnung
des Schicksals, noch genauer gesagt, des das Schicksal verhängenden
Gottes.
Wir können dies auch so ausdrücken, daß der mit dem Gotte
versöhnte Held nun keines M i t l e i d e s mehr bedürfe. Denn er
ist, wenn auch untergehend, im Schutze und in der Obsorge des
Gottes. Auch die F u r c h t ist überwunden, weil die Versöhnung,
sei es auch durch Strafe des Unterganges erreicht, die Seele durch
das Heilige erhoben und der göttlichen Heilstat teilhaftig ist.
So z. B. gehorcht die „Antigone“ des Sophokles, indem sie den
Bruder (gegen das Gebot des Königs) begräbt, dem göttlichen, nicht
dem menschlichen Gesetze; überdies gehorcht sie zugleich dem
höchsten Sittengesetze: „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich
da.“ In ihrer religiös-sittlichen Tat ist ihr Tod verklärt. „Und es
nähren sich alle menschlichen Gesetze von dem einen göttlichen“,
sagte schon Heraklit.
Auch hier können wir nicht nur auf alte, sondern auch auf neuere