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Stücke hinweisen. Schillers „Jungfrau von Orleans“ endet sterbend

in der wiedergewonnenen Gnade von oben! Sie gleicht darin den

Helden der Antike:

Der schwere Panzer wird zum Flügelkleide,

Groß ist der Schmerz und ewig ist die Freude.

Allerdings ist es wesentlich festzustellen, daß die neuere Tra-

gödie (im Gegensatze zur alten) nur durch die s i t t l i c h e For-

derung den Sieg des Höheren, Übersinnlichen, Göttlichen darstellen

kann und dadurch den Untergang des Helden zu rechtfertigen ver-

mag (das heißt auch hier von „Mitleid und Furcht“ reinigt) — also

nur mittelbar! Das Übersinnliche selbst kann nur selten auftreten.

So in Schillers „Braut von Messina“, wo der untergehende Held mit

den Worten stirbt:

Das Leben ist der Güter höchstes nicht,

Der Übel größtes aber ist die Schuld.

Nur in der Schicksalstragödie und einigen anderen Fällen kann

auch in der neueren dramatischen Kunst die Uberwelt selbst auf-

treten; doch versteht man, daß dies der neuzeitlichen Geistigkeit

immer schwerer wird.

So muß auch bei Shakespeare überall dort, wo die Überwelt nicht

selbst auftritt (was aber bei „Richard III.“, im „Hamlet“, im

„Sturm“ und zum Teil in den Märchendramen geschieht), der Sieg

der s i t t l i c h e n Welt den Untergang des Helden rechtfertigen.

Ähnlich bei allen anderen Neueren. Ein Zeichen, wie sehr das

Metaphysisch-Religiöse aus unserer Kultur zurückgedrängt wurde.

Nur die Romantik machte hiervon eine Ausnahme. Doch vermochte

sie nicht, den Zeitgeist zu wenden, und wurde aus dem Felde

geschlagen.

D a g e g e n scheinen alle pessimistischen Werke der höheren Kunst zu spre-

chen, so auch z. B. Shakespeares „Timon von Athen“, „Coriolan“, „Troilus und

Kressida“. Aber wo wirklicher Pessimismus durchschlägt und eine metaphysische

Rechtfertigung ausbleibt, dort hat auch echte Kunst ihr Ende gefunden, stamme

sie von wem sie wolle. Es fehlt dann zuletzt an jener Rückverbundenheit, welche

die tiefste Wahrheit der Welt und die zu zeigen die unabdingbare Aufgabe der

Kunst ist.