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5. Beispiele aus anderen Kunstgattungen
Mit dem Gesagten sind unseres Erachtens der Belege genug gege-
ben. Doch bedarf es noch solcher außerhalb des Dramas.
Was für das Drama, gilt von selbst auch für alle e p i s c h e
D i c h t u n g , wofür wir schon Homers Odysseus anführten, wel-
cher nach langen Irrfahrten nicht untergeht, sondern schlafend seine
Heimat findet, dort — gleich einem deus ex machina — von der
Göttin Pallas Athene empfangen wird und zuletzt noch Anweisung
erhält, den ihm feindlich gewesenen Gott Poseidon ganz zu ver-
söhnen. — Das rein Tragische dagegen ist im thebanischen Sagen-
kreis verkörpert, dessen Epen aber nicht auf uns kamen.
In Wolframs „Parzival“ sehen wir das Frohlockend-Schöne, im
Nibelungenliede dagegen das Tragische verkörpert (wobei wir die
metaphysisch-religiöse Rückverbundenheit durch die letzte christ-
liche Überarbeitung verdeckt zu denken berechtigt sind).
Diese Unterscheidungen gelten auch für Balladen und Romanzen,
worauf einzugehen aber nicht mehr nötig ist.
Der durch Grimmelshausens „Simplizissimus“ und namentlich
durch Goethes „Meister“ aufgekommene Bildungsroman endet
grundsätzlich sieghaft, mit innerem Aufstiege und gehört insofern
zum Frohlockend-Schönen; Grillparzers „Armer Spielmann“ da-
gegen zum Tragischen, welches durch das Sittliche getragen wird.
Besonders vorbestimmt für das Frohlockend-Schöne ist die M u -
s i k. Unsere größten Meister von Bach bis zu Schubert, worunter
vielleicht Gluck und Mozart besonders zu nennen wären, kommen
in ihren musikalischen Dramen und Symphonien zu den Endgestal-
tungen eines erlösenden, befreienden, frohlockenden Aufschwunges.
Das Musterbeispiel sind Mozarts große Opern, welche, wie nicht
genug zu bewundern, mit Gebet und hochgestimmter Freude enden.
Ähnliche Schlüsse ergeben sich aber auch — was ihre innere Not-
wendigkeit abermals bezeichnet — bei den Oratorien und verwand-
ten Stücken Bachs, Händels, und ihren Nachfolgern. Überall ist es
hier eine übersinnlich bestimmte, erlösende Freude, welche am Ende
sieghaft durchbricht. Die innere Nötigung dazu liegt in den meta-
physischen Grundfesten der Welt.
Darum finden wir dasselbe überall, wo große Kunst am Werke
ist, unfehlbar vor. In Beethovens „Fidelio“ nicht nur, auch z. B. in