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Carl Maria von Webers „Freischütz“ finden wir das Frohlockend-
Schöne; dort erscheint zuletzt der Minister, gleichsam als Vertreter
des Schicksals, hier der Einsiedler und schlichtet alles, wodurch das
Frohlockend-Schöne auf metaphysischem Grunde hervorbricht. —
Besonders lehrreich dafür, daß und inwiefern es sich beim Froh-
lockend-Schönen um eine innere Nötigung handelt, welche in den
Grundzügen des Weltgeschehens wurzelt, scheint mir der Schluß
aller großen Symphonien der Meister unserer Musik. Bei allem, was
vor Haydn diesen entspricht, sodann bei Haydn, Mozart, Beetho-
ven, Schubert und deren Nachfolgern finden wir einen sieghaft-
erlösenden Ausgang, welcher sogar durch die düsteren Zwiespalte
und übermenschlichsten Kämpfe hindurch niemals fehlen kann (so
besonders bei Beethoven).
Im Reigen der seligen Geister von Glucks „Orpheus und Eury-
dike“ ist das selige Frohlocken ohne Kämpfe, gemäß dem Gange der
Handlung, vorweggenommen.
Die Anwendung auf die M a l e r e i ist freilich beschränkt, da
es sich bei ihr nicht eigentlich um eine Kunst handelt, welche einen
inneren Fortschreitungsgang zu schildern vermag. Daher kommt es
hier hauptsächlich auf den Gegenstand des Gemäldes an. Die heilig-
mystischen Gemälde, wie wir sie oben als Beispiele des Mystisch-
Schönen anführten, bilden auch solche des Frohlockend-Schönen;
das ja auch als eine Abart des Mystisch-Schönen im weiteren Sinne
betrachtet werden kann. Naturgemäß bleibt aber dabei vieles in
Schwebe, was die dramatische und erzählende Dichtung klären
würde. Dürers großes Werk „Ritter, Tod und Teufel“ z. B. läßt
zwar den Sieg des inneren Lebens über den Tod erkennen; wieweit
aber dabei das Heilige oder das Sittliche die siegende Kraft ist,
bleibt in Schwebe.
In den Gemälden der heiligen Geschichte großer Meister klingt
überall entweder das Frohlockend-Schöne oder das im engeren Sinne
Tragische vorherrschend an. Zum Beispiel zeigt Leonardos „Kopf
des Erlösers“ (Pinakothek Brera — Mailand) deutlich den Stil des
Frohlockend-Schönen, weil das Leiden überkleidet und überstrahlt
wird von der erlösenden und befreienden Gnade, an der, wie man
fühlt, der Erlöser die Welt teilnehmen läßt
1
. Leonardos großes
1
Vgl. die farbige Nachbildung in: Leonardo da Vinci, 3. Aufl., Berlin 1939,
S. 168.