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fünfzig Jahre mit seiner dem Maschinenwesen entnommenen Vor-

herrschaft der geraden Linien!

Was wir soeben von der Baukunst sagten, gilt für alle Kunst-

gattungen: Voraussetzung für die frohlockende Tragik mit Unter-

gang des Helden oder das Frohlocken ohne Untergang des Helden

ist immer eine bestimmte metaphysische oder gottesdienstlich-reli-

giöse Grundhaltung des Stiles.

In dieser Feststellung offenbart sich abermals die Größe der deut-

schen Romantik, welche das Metaphysische wieder zum Lebenssafte

aller Kunst zu machen strebte. Gebrach es ihr auch manchmal an den

großen künstlerischen Begabungen, ihre Ziele zu erreichen, wurde

sie von dem herauf ziehenden Zeitalter des Materialismus und Tech-

nizismus verschlungen, ehe sie sich recht entfalten konnte; die

Kunst der Zukunft wird ihren Grundsätzen nach romantisch sein,

oder sie wird nicht sein.

Das bestätigt auch die folgende Betrachtung, mit welcher wir

diese Untersuchung schließen.

Z u s a t z ü b e r d a s n e u z e i t l i c h e S c h a u s p i e l i m b e s o n d e -

r e n , m i t u n d o h n e U n t e r g a n g d e s H e l d e n

In der Neuzeit trat etwa seit Shakespeare mehr und mehr der

Sieg des Sittlichen an die Stelle der Teilnahme an der göttlichen

Heilstat.

Daraus versteht man die mehr oder weniger große A b S c h w ä -

c h u n g , welche das gesamte neuere Schauspiel als das Frohlok-

kend-Schöne sowohl mit als ohne Untergang des Helden in der

Neuzeit gegenüber dem Altertume erlitt.

Da ist es das Große an S h a k e s p e a r e , auch in weltlichen

Stoffen die Uberwelt auftreten zu lassen und dadurch dem Schönen

eine annähernd ebenso hohe Weihe und Rückverbundenheit zu ge-

ben, wie das die gottesdienstliche Tragödie vermochte. Darum wer-

den der „Sommernachtstraum“, „Hamlet“, „Richard III.“, „Mac-

beth“, der „Sturm“ und die Märchendramen stets die erste Stelle

unter seinen Dramen behaupten und auch in der neuzeitlichen Welt

fast liturgisch wirken. Da aber Shakespeare auch in den staatlichen

und bürgerlichen Stoffen, z. B. im „Kaufmann von Venedig“ und

„Der Widerspenstigen Zähmung“ (wo übrigens durch die Gestalt