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gaben, um die Ausbildung eines neuen, höheren Organes anzudeu-

ten. Lediglich bei den Göttinnen ist dieses Organ bloß schwach

angedeutet.)

Es waren wohl alle griechischen Götterbilder (gemeint sind die

Originale) auf dieses Ziel gerichtet. Zum Beispiel läßt die Athene

des Myron (im Frankfurter Städelschen Institute) ein gleiches Un-

beschreibliches erkennen, das erlöst und beglückt; und die Nach-

bildungen des Zeus von Phidias, die uns zur Verfügung stehen, las-

sen uns den Vater und Erretter mit Sicherheit noch ahnen.

In der B a u k u n s t müssen wir, wie früher begründet, die voll-

endete Gotik schlechthin zum Mystisch-Schönen rechnen, welches

ja das Frohlockend-Schöne in sich einschließt. Im besonderen dürfen

wir jedoch sagen, der a t h e n i s c h e P a r t h e n o n zeuge von

der Fähigkeit der Baukunst, das Frohlockend-Schöne selbst dar-

zustellen. Denn der Parthenon läßt das Ringen um mystische Er-

hebung hinter sich und zeigt ein befreites Dasein, welches man

als k o s m i s c h e H a r m o n i e d e r S p h ä r e n am genaue-

sten bezeichnen kann. Er glänzt von hochgestimmter, himmlischer

Heiterkeit, ist zugleich Gebet und Freude und kann auf musikali-

schem Gebiete dem wie aus kosmischer Harmonie geborenen mo-

zartischen Chore „O Isis und Osiris, schenket“ in dieser seiner Ein-

heit verglichen werden. (Schon daß der Choral nicht von der Orgel,

von Gebet und Freude ebenso wie in seiner k o s m i s c h e n Art,

sondern von Bläsern bestritten wird, gibt ihm eine mehr kosmische

Richtung!)

Denn wodurch unterscheidet sich die Frömmigkeit des Parthenon

von jener der Gotik, also der christlichen Mystik? — Durch das

k o s m i s c h e Gepräge, welches die himmlische Erhobenheit und

Heiterkeit des Parthenon zeigt! Die pythagoräische „Harmonie

der Sphären“ scheint uns der Schlüsselbegriff, welcher das Geheim-

nis der Wesensart der Frömmigkeit des griechischen Tempels auf-

schließt: Es ist eine olympisch gestimmte Frömmigkeit.

Voraussetzung für eine solche Leistung der Baukunst ist aller-

dings, daß der Baustil noch den hohen inneren Ernst habe, der hier

gefordert wird. Das trifft schon für das meistens allzu weltliche

sogenannte Biedermeier nicht mehr zu, geschweige denn für den

leeren, alle Innerlichkeit zerfressenden, kalten Baustil der letzten