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6. Das Unholdisch-Schöne oder das Inhaltlich-Häßliche

Den Übergang vom Vollkommenen zum Unvollkommenen in

der Welt des Schönen bildet das, was wir das Dämonisch- oder

Unholdisch-Schöne nennen.

Das Unholdisch-Schöne ist in der Eingebung wahr, in Gestaltung

und Rückverbundenheit vollkommen, indessen in seiner inhalt-

lichen Bestimmtheit verabscheuungswürdig; daher in diesem Sinne

häßlich. (Wir unterscheiden später mehrerlei Häßliches, das der

Gestalt nach Häßliche und das eben erklärte Unholdisch-Häßliche

oder Gegenständlich-Häßliche.)

Die Erklärung des Häßlichen gelang in der bisherigen Ästhetik

noch nicht. Das lag an dem mangelhaften Begriffe des Schönen.

Zum Verständnisse des Häßlichen ist die klare Unterscheidung des

Gestaltlichen von der Eingebung mit ihren Inhalten und ferner der

Rückverbundenheit mit ihren Schwächen (wovon wir später zu

sprechen haben) nötig.

Schon F r i e d r i c h S c h l e g e l forderte die Erklärung des

Häßlichen, und zwar durch einen „ästhetischen Kriminalkodex“, zu

welchem er auch geistvolle Bemerkungen machte. Erst der Hegelia-

ner Karl Rosenkranz (1805—1879) versuchte aber eine „Ästhetik

des Häßlichen“

1

. Der Geschichtsschreiber der Kunstphilosophie

Max Schasler versprach, sie fortzubilden, ohne aber sein Verspre-

chen auszuführen.

In Wahrheit kann nur mittels des ganzheitlichen Verfahrens

ein umfassender und zureichender Lehrbegriff des Häßlichen ent-

wickelt werden, weil nur dieses Verfahren den Begriff eines G l i e -

d e r b a u e s kennt, welcher im Falle der Übereinstimmung das

Schöne und im Falle der Widersprüche das Nicht-Schöne ergibt;

welcher aber auch im Inhalte der Eingebung — denn Eingebung,

Gestaltung und Rückverbundenheit sind die Bestimmungsstücke

dieses Gliederbaues — das Vollkommene und Unvollkommene

ergibt.

Insbesondere kann ohne die ganzheitlichen Kategorien des Voll-

1

Leider war mir dieses Werk nicht zugänglich, doch konnte ich dem kurzen

Überblick der Lehre vom Häßlichen, den Rosenkranz in seiner „Psychologie“ gab,

das Wesentlichste entnehmen (vgl. 3. Aufl. 1863, S. 366 ff.). Es handelt sich dabei

hauptsächlich um formale Unterscheidungen.