Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8415 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8415 / 9133 Next Page
Page Background

355

So sage denn, wie sprech’ ich auch so schön?

worauf Faust antwortet:

Das ist gar leicht, es muß von Herzen geh’n.

Das Herz, die Eingebung, nicht Klügelei, noch Künstelei soll den

Reim bestimmen, so sagt hier Goethe.

Mag daher P l a t e n reinere, R ü c k e r t reichere Reime ha-

ben, Goethe bleibt Meister, weil er den Vorrang des Gehaltes immer

wahrt.

C. Die U n v o l l k o m m e n h e i t e n a u s d e r S c h w ä c h e

d e r R ü c k v e r b u n d e n h e i t

1. Das Weltbefangen-Schöne oder das „Bild ohne Gnade“

Die Schwäche der Rückverbindung hängt mit jener der Ein-

gebung innig zusammen, kann aber doch eine eigene Quelle der

Unvollkommenheit des Schönen werden.

Die Eingebung blickt mit Kinderaugen in die Welt, sie erschaut

im großen Stufenbau des natürlichen und geistig-sittlichen Kosmos

das Einfachste wie das Erhabenste. Wird dieses auch vollkommen

gestaltet, so bleibt doch noch eine letzte große Aufgabe: die Wahr-

nehmung des letzten großen Zusammenhanges des in der Eingebung

Erfaßten, die Rückverbundenheit.

Im Wesen der vollkommenen Eingebung liegt auch die vollkom-

mene Beschlossenheit, Rückverbundenheit des in der Eingebung

Erfaßten; aber dennoch kann diese als solche geschwächt werden.

Vollkommene Rückverbundenheit verleiht dem Schönen, wie

sich schon zeigte, einen m y s t i s c h e n Glanz, macht erst das

aus ebenmäßigen Verhältnissen hervorgehende Wohlgefügte der

Gestalt zur h o h e n S c h ö n h e i t ; wie es am unmittelbarsten

Goethes Worte ausdrücken:

Doch ist es jedem eingeboren,

Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,

Wenn hoch im blauen Raum verloren

Sinnreim, Gedankenreim und Satzreim; welche Unterscheidungen man aber

kaum als glücklich und fruchtbar betrachten kann.