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2. Das Lächerliche samt Humor, Scherz und Spott
a. B e g r i f f s b e s t i m m u n g
Der tragende Begriff, der uns hier beschäftigt, ist der des Lächer-
lichen oder Komischen; die anderen sind nur Abarten davon.
Die in der Kunstphilosophie üblichen Begriffsbestimmungen des
Lächerlichen oder Komischen laufen in der Regel auf dasselbe hin-
aus, was Kant über das Lachen sagte: .. ein Affekt aus der plötz-
lichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts“
1
. Ähn-
lich äußerten sich Goethe, Schelling, Hegel und deren Schulen sowie
die neuzeitlichen Ästhetiker. Auch wir können dem grundsätzlich
zustimmen. Und wir möchten auch in H u m o r oder g u t e r
L a u n e , ferner in S p o t t oder I r o n i e sowie in S c h e r z
u n d W i t z bloße Abwandlungen des Lächerlichen erblicken, um
die wir uns daher im folgenden nicht eigens bemühen müssen.
Indessen scheint es uns nötig, dem angeführten Merkmale der
„plötzlichen Auflösung der gespannten Erwartung in nichts“ das
andere hinzuzufügen, daß dieses sich Auflösende ein auf irgend-
eine Weise N i c h t s e i n s o l l e n d e s war; auch muß dieses
Nichtseinsollende in dem jeweiligen Zusammenhange geeignet sein,
die Erwartung genügend zu spannen, das heißt, irgendwie wichtig
oder wenigstens beachtenswert zu erscheinen.
Ferner erscheint uns unentbehrlich, der Erwartung und Auflösung
eines Nichtseinsollenden in nichts noch als weiteres Merkmal ein
gewisses W o h l w o l l e n , eine Art von N a c h s i c h t für jenes
Nichtseinsollende hinzuzufügen; was zugleich eine Überlegenheit
des Lachenden und auch des S p o t t e n d e n in sich schließt —
den H u m o r . Denn ohne Wohlwollen und Überlegenheit würde
die Beseitigung des Nichtseinsollenden mehr die Erleichterung von
einem Alpdrucke verspüren lassen als jene L u s t , welche mit La-
chen, Humor und Spott stets irgendwie verbunden ist.
Das künstlerisch Wesentlichste aber am Lächerlichen sowie seinen
Abwandlungen Humor und Spott ist uns, daß durch die Auflösung
1
Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft, § 54, in: Kants Werke, heraus-
gegeben von der Königlich Preußischen Akademie, Bd V, Berlin 1908, S. 332,
Zeile 34.