388
und Raum aber steht als höchste, als „dimensionslose Dimension“
das Uberräumliche!
Zweierlei Voraussetzungen hat die Naturphilosophie und eine
dritte die Erkenntnislehre geschaffen, ehe der Kernbegriff der
Kunstphilosophie erschöpfend und vollgültig bestimmt werden
konnte. E r s t e n s : Die räumliche und stoffliche Natur ist nur
denkbar, wenn ihr ein U b e r r ä u m l i c h e s u n d Ü b e r -
s t o f f l i c h e s , ein Geistartiges (ein in den Organismen dem
Geist Vermählbares, wie es die Lehre von der Gezweiung höherer
Ordnung fordert) zugrunde liegt. Z w e i t e n s : Auch die Raum-
gestalt der anorganischen Natur wird nur über die Z e i t g e s t a l t
geschaffen, so daß dadurch eine schon in der Natur erkennbare ge-
meinsame Wurzel der Raum- und Zeitkünste gegeben erscheint. Die
überräumlichen und zeitlich-rhythmischen Grundlagen aller Natur
lassen uns schon etwas Geistartiges, etwas dem Geiste Zugekehrtes in
ihr erahnen, so daß sie geeignet ist, dem Geist als Lebensgrundlage
zu dienen, wodurch Kunst erst möglich wird. Und d r i t t e n s ,
die erkenntnistheoretische Voraussetzung: In ihrer Weise hatten
Kant einerseits, Schelling und Hegel andererseits die Conditio sine
qua non erkannt, um eine innere Brücke von der Raumwelt in die
Geisteswelt zu schlagen. Es waren zugleich kunstphilosophische Lei-
stungen, wenn Kant den Raum als apriorische Anschauungsform,
Schelling die Natur als depotenzierten Geist, Hegel als dessen
Andersein bestimmten.
Wir wissen, daß erst Spann diese Leistungen ins rechte Licht
emporhob, indem er ihren jeweiligen Wahrheitsgehalt durch Über-
höhung dieser Konstruktionen geklärt und fruchtbar gemacht hat.
Mit dem in der Geisteslehre enthaltenen erkenntnistheoretischen
Satz
1
, daß der G e i s t d i e E i n g e b u n g d e r D i n g -
w e l t a u s s i c h s e l b s t h e r v o r b r i n g e n m u ß , um die
räumliche Natur zu erkennen, und erst recht um sie zu formen und
zu gestalten, ist in der sinnlichen Raumwelt nunmehr ihr geistiger
Ursprung und somit jener Geistesgehalt aufgezeigt, der es der bil-
denden Kunst möglich macht, ein echtes Ausdrucksmittel des Gei-
stes zu sein.
Die systematischen Voraussetzungen der Kunstphilosophie sind
1
Erkenne dich selbst, 2. Aufl., Graz 1968, S. 171 [= Othmar Spann, Gesamt-
ausgabe],