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n i s d e r K u n s t . D a s F e h l e n d i e s e s k a t e g o r i a l e n

G r u n d b e g r i f f e s m a g e s v o r a l l e m g e w e s e n s e i n ,

d a ß d i e K u n s t p h i 1 o s o p h i e a u f S p a n n

w a r t e n

m u ß t e , u m z u e i n e r v o n i n n e n h e r g e s t a l t e t e n

S y s t e m a t i k z u g e l a n g e n !

Zum Begriff der G e s t a l t zurückkehrend, dürfen wir fest-

halten: Der schönste dichterische Ausdruck, der jemals über das

innere Wesen der Gestalt gefunden worden ist, wird von Spann

nicht erst in der Kunstphilosophie angeführt, sondern bereits in der

naturphilosophischen Erklärung des Geheimnisses aller Gestalt

durch Schillers eindrucksvolle Verse

1

:

Aber frei von jeder Zeitgewalt,

Die Gespielin seliger Naturen,

Wandelt oben in des Lichtes Fluren

Göttlich unter Göttern die G e s t a l t .

Damit ist vorweggenommen, was die Kunstphilosophie ausführt:

Der Gestalt liegt etwas Übersinnliches zugrunde. Die aus dem

Reiche der Ideen in den schöpferischen Geist einströmende Ein-

gebung ist es, die aller künstlerischen Gestalt das Leben gibt. Und

dieses Innerste der Gestalt ist noch frei von jeder Zeitgewalt. Vor

der Zeitgestalt haben wir noch etwas zu suchen, das über der Zeit

steht. Es ist die g e i s t i g e G e s t a l t . Sie ist es, die unmittelbar

aus der Eingebung geboren wird und die nun erst in die Zeitgestalt

übergeführt werden muß. Die geistige Gestalt ruht noch im Innern

des Künstlers; sie bedarf weiterer Stufen der Verwirklichung,

nämlich der Z e i t g e s t a l t , d e r R a u m g e s t a l t u n d d e r

s i n n l i c h - s t o f f l i c h e n G e s t a l t .

Durch die Z e i t g e s t a l t wird der inneren geistigen Gestalt

der Rhythmus des Lebens eingehaucht. Dies gilt für die Zeitkünste

(Musik, Dichtkunst, Tanz). Daß aber auch die bildende Kunst

mittelbar von einem inneren, geistig-zeitlichen Rhythmus getragen

sein muß, folgt schon aus der großen naturphilosophischen Er-

kenntnis, daß der Weg der Verräumlichung von der Überräumlich-

1

Friedrich von Schiller: „Das Ideal und das Leben“, angef. in Naturphilo-

sophie, 2. Aufl., Graz 1963 [= Othmar Spann, Gesamtausgabe, Bd 15].