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jene grundlegenden Erkenntnisse, die, verschiedenen Wurzeln der
Ganzheitslehre entsprungen, ihr Gesamtgefüge ergeben: die Ka-
t e g o r i e n l e h r e , d i e P n e u m a t o l o g i e u n d d i e N a t u r -
p h i l o s o p h i e .
Damit ist jedoch die Verankerung der Kunstphilosophie in der
Ganzheitslehre noch nicht erschöpft. Eine weitere Einheit und Fol-
gerichtigkeit liegt darin, daß zwischen der Denk- und Gestaltlehre,
zwischen L o g i k u n d K u n s t p h i l o s o p h i e eine genaue
Entsprechung besteht. Was schon Baumgarten
1
, der Begründer einer
besonderen Ästhetik, gefordert hatte, daß es — wie die Logik als die
Lehre vom richtigen Denken, die Ethik als die Lehre vom richtigen
Handeln — auch eine eigene Lehre vom künstlerischen Empfinden
geben müsse, hat Spann im streng systematischen Sinne verwirk-
licht: Wie die Logik ihre Gesetze der Begriffsbildung, so hat die
Kunst ihre Gesetze der Gestaltenbildung. Wie aus der begrifflichen
Eingebung der G r u n d b e g r i f f folgt, aus welchem sich die
F o l g e b e g r i f f e ergeben, so erwächst aus der künstlerischen
Eingebung die G r u n d g e s t a l t , die sich in F o l g e - u n d
T e i l g e s t a l t e n ausgliedert
2
. Wie der Begriff am Anfang der
Logik stehen muß, aus dem sich das Urteil und der Schluß entfalten,
ausgliedern (sehr plastisch drückt dies Schelling aus, wenn er sagt:
der Begriff ist das eingewickelte, der Schluß das ausgewickelte Ur-
teil), so ist das Wesen aller künstlerischen Gestalt nicht „Komposi-
tion“
(Zusammensetzung),
sondern
vielmehr
„Ausgliederung“,
„Ausgestaltung“. Der übliche Begriff „Komposition“ hat freilich
eine gewisse Berechtigung, nämlich insoferne man darunter die
„rückverbindende Synthesis“ versteht, als welche das Wesen der
Kunst oben bestimmt worden ist.
Denn der entscheidende Unterschied zwischen dem logischen
Denken und dem künstlerischen Gestalten besteht eben darin, daß
der Schwerpunkt jeweils auf einer anderen Geistesstufe liegt: im
Denken auf jener des Entgegensetzens, des Ausgliederns; in der
Kunst hingegen im Gestalten, im Rückverbinden! Der B e g r i f f
d e r R ü c k v e r b u n d e n h e i t i s t d e r S c h l ü s s e l
z u m
W d G t l t
d d h
V t ä d
1
Siehe oben, S. 25.
2
Siehe Erkenne dich selbst, 2. Aufl., Graz 1968, S. 91 [= Othmar Spann, Ge-
samtausgabe, Bd 14].