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sinnlich-stofflichen Gestalt in der Kunst gegenüber dem umgekehr-
ten Verhältnis in der Naturphilosophie, wo die Eigenschaften vor
der Raumgestalt stehen. In der Natur ist es der innere Wesens-
gehalt der Eigenschaften, welcher sich im Raume erst darstellen soll,
in der Kunst hingegen sucht der geistige Gehalt nach einer Raum-
gestalt mit entsprechenden sinnlichen Beschaffenheiten. Hier sind
die Eigenschaften Ausdrucksgestalt, dort waren sie ein im Raume
erst Auszudrückendes.
Das Herausarbeiten von Wesensstrukturen ist das vornehmliche
Geschäft der Philosophie. Das Aufzeigen der dargelegten Gestal-
tungsebenen und ihrer Vorränge steht daher im Mittelfeld der
ganzheitlichen Kunstphilosophie. Wie „Der Schöpfungsgang des
Geistes“ die inneren Haltestellen alles geistigen Schaffens festgehal-
ten und daraus das systematische Gefüge einer Pneumatologie ab-
geleitet hat, so enthüllt sich uns der „Gestaltwandel“ von der geisti-
gen Urkonzeption eines Kunstwerkes bis zu seiner stofflich-räum-
lichen Vollverwirklichung geradezu als ein „Schöpfungsgang der
Kunst“, aus dem der Aufbau der Kunstphilosophie entwickelt wird.
Da es aber nicht e i n e Kunst gibt, sondern eine Mehrzahl von
Künsten und nicht e i n Schönes, sondern mehrere Erscheinungs-
formen der künstlerischen Schönheit, verlangt eine kunstphiloso-
phische Untersuchung dieser Gegebenheiten der Ästhetik eine E i n -
t e i l u n g d e r K ü n s t e und eine E i n t e i l u n g d e s
S c h ö n e n .
Nur für den Empirismus sind solche Einteilungen überflüssig
oder nur formal äußerliche. Wahre Einteilungen kommen aus dem
Wesen des Gegenstandes, aus seiner inneren Struktur. Überhaupt
gehört ja Einordnen, Einteilung eben zum Wesen der Philosophie
wie zum Wesen der Wissenschaft. Die richtige Stelle eines Gegen-
standes in seiner Umgebung, zuletzt in der Weltordnung aufzu-
finden, ist schon ein Erkennen dieser selbst. Und Erkennen der
Weltordnung, das eben ist Philosophie.
Keine echte Kunstphilosophie kann daher an der Aufgabe vor-
übergehen, der wir uns zuerst zuwenden wollen: einer E i n t e i -
l u n g d e r K ü n s t e . „Man kann behaupten“, sagt der von Spann
sehr geschätzte Ästhetiker Schasler, „daß die Art und Weise, wie die
Gliederung der Künste behandelt wird, ein Probierstein für die