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Selbstverge-
gemtändli-
chung
Der Sammler:
Halt! Ehe du erwiderst, laß uns noch weiter in die Geistesordnung
eindringen. Als Größtes tritt uns entgegen die
Se lb s t Vergegens tändl i chung.
Wisse, was große Denker uns vom Wesen des Geistes enthüllten:
Sich selbst zum Gegenstande zu nehmen, ist das Wesen des Geistes.
Hier liegt der Urunterschied von Geist und Stoff, Geist und Natur,
am klarsten zutage und zugleich die Voraussetzung der Selbstbe-
stimmung oder Freiheit.
Wir sind an einem entscheidenden Punkte angelangt: Selbstver-
gegenständlichung ist das, was das Selbstbewußtsein begründet.
Indem der Geist nämlich eine Wahrnehmung, z. B. das Grün
eines Baumes, als seine Wahrnehmung, und indem er einen Ge-
danken, z. B. der Unsterblichkeit, als seinen Gedanken nimmt:
nimmt er si ch selbst — seine Wahrnehmung, seinen Gedanken —
zum Gegenstande, zum Objekte! Und erst dadurch weiß er sich
selbst, erst dadurch erlangt er Selbstbewußtsein, ist er bei sich selbst.
Nur der menschliche Geist ist sich seiner selbst bewußt. Nur er
erfaßt sich selbst. Nur er wird zum Subjekt, indem er sich zum
Objekte macht, nur er ist Subjekt-Objekt, Selbst und Gegenstand
zugleich — ein hoher, wunderbarer Anblick des Geistes!
Der Zerstreuer:
Deine Aufschlüsse sind überraschend. Erkläre dich noch näher.
Der Sammler:
Ganzheitlich genommen, würde ich sagen: Der Geist ist nicht
Zusammensetzung von Teilen, vielmehr Ausgliederung; und er geht
in seinen Gliedern nicht unter. Der Denkende fließt in seinen Ge-
danken nicht aus, sondern nimmt sie zu seinem Gegenstande. Alles
Ausgliedernde, das in seinen Gliedern nicht untergeht, was tut es?
Es ble ibt bei si ch, und eben darum sind seine Glieder sein
eigener Gegenstand; und eben darum hält es seine Glieder in ihm
selbst befaßt, rückverbunden (und zwar in Gemeinschaft, „Ge-
zweiung”, wovon ich aber jetzt noch nicht sprechen will).
Daher ist nur der Geist Ganzheit
Kat’
s!;o%r|V, während die orga-
nischen Ganzheiten schon Abschwächung und Vermittlung zeigen.
Der Zerstreuer:
Die ganzheitliche Betrachtungsweise führt, weil ungewohnt, viel-
leicht zu neuen Schwierigkeiten.