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Geist und
Stoff
Paralle-
lismus-
Hypothes
Laß mich aber zuvor noch die Gegeneinwände, die sich zum
Verhältnisse Geist und Stoff aufdrängen, Vorbringen.
Wenn ich mich besinne, muß ich nicht befürchten, daß deine
Ansichten vom Geiste als der Übernatur dich zu voreiligen Schlüssen,
zuletzt gar zu Schwärmerei verführen? Denken und stoffliche Vor-
gänge sind nun einmal nicht zu trennen — scheinst du diese Grund-
tatsache nicht zu gering zu veranschlagen?
Dabei laß uns noch gründlich verweilen. Wenn, was ich zugebe,
die Erklärung des Denkens aus stofflichen Vorgängen, der Materia-
lismus, nicht haltbar ist, bleibt nicht doch, wenn auch nur als
Arbeitshypothese, der sogenannte psychophysische Parallelismus ?
Er stellt das unerläßliche Zusammensein von Stoff und Geist
rein empirisch fest. Aber auch nach ihm müßte der Geist auf-
hören zu bestehen, wenn seine Bedingung, der zugeordnete Stoff,
aufhört — und könnte doch von anderer Art sein als die Materie!
Der Sammler:
Keineswegs! Auch die sogenannte Parallelismus-Hypothese, indem
sie durchgängige Parallelität geistiger und stofflicher Vorgänge aus-
spricht, ist nichts als versteckter Materialismus. Ja, sie kennt in
Wahrheit keinen Geist. Sie rechnet den Menschen zur Physik, wie
jeder, der ihn für schlechthin sterblich hält. Empirisch genommen,
erweist sie sich als unrichtig.
Schon in physikalisch-energetischer Hinsicht besteht die strenge
Parallelität nicht, das ist erwiesen, z. B. an Menschen, die jahrelang
fast keine Nahrung zu sich nehmen, so daß sich eine genaue Ener-
giebilanz ihres Organismus keinesfalls ergeben kann, vielmehr der
Geist als selbständige Quelle des Lebens offenbar wird. Das allein
ist schon entscheidend! Ferner aber fehlt die genaue Parallelität
unbestreitbar auch in gewöhnlichen wie in außerordentlichen Geistes-
zuständen. Eine Freudenbotschaft z. B. macht froh, der Körper
aber war derselbe. Die seelische Veränderung ging hier also voran,
war ohne körperliche Veränderung möglich! Weiter: Oft erhalten
kurz vor dem Sterben die Kranken im Irrenhause ihre Vernunft
wieder. Auf den Todeskampf folgt nach For tlage meistens eine
ruhige, schmerzlose Zwischenzeit bis zum Lebensende, während
doch die körperliche Auflösung fortschreitet.
Wichtig ist auch das in der Biologie bekannte Hinausgehen der
morphologischen Differenzierung über die chemisch-leibliche. Endlich
müßten nach dieser Lehre die geistigen Vorgänge, um den körper-