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Machte doch schon Aristoteles gegen Anaxagoras geltend, daß der
Mensch Hände habe, weil er vernünftig sei, nicht aber vernünftig,
weil er Hände habe.
So verstehen wir auch, warum lokale Gehirnerkrankungen, sogar
des Stirnlappens, bekanntlich nicht immer zu psychischen Defekten
führen! Und auch, warum Sprach- und Gedächtnisstörungen durch
Übung (vielleicht stellvertretender Zentren) behoben werden können.
Der Geist ist es eben, dem es unter Umständen gelingt, das Gehirn
zu meistern, ähnlich wie die Hände. Im Fortgange der Forschung
wird es auch immer klarer: das Gehirn ist kein spezifisches „Denk-
organ”. Es bietet dem Geiste nur die Sinnesdaten und die Motorik
dar — der Gei st muß selber denken !
Der Zerstreuer:
Auch jene Physiologen, denen das ketzerisch klingt, werden dir
die Triftigkeit deiner Gründe nicht abstreiten können. Aber sie
werden finden, du bleibest damit noch im Allgemeinen stecken.
Der Sammler:
Nein! Das experimentell erhärtete Fehlen völliger Bindung des
Geistes an das Gehirn ist ein konkreter Beleg der Selbständigkeit
des Lebens. Eine Hypnotisierte, die ein heißes Eisen anzufassen
glaubt (das in Wahrheit nicht heiß ist) und Brandwunden davon-
trägt, ist ein konkre tes Beispiel der Macht des Geistes. Wir haben
ein Gehirn, weil wir denken, nicht aber denken wir, weil wir ein
Gehirn haben — das ist eine konkrete Tatsache. Auch jeder, der
sich „aufrafft” zu Denken, Wollen, innerer Einkehr, beweist konkre t
die Macht des Geistes.
Dein Standpunkt scheint mir zwei Tatbestände zu vermengen:
1.
das an sich, das heißt dem reinen Wesen nach Stoffreie, Leib-
freie, durch eigene Kategorien Bestimmte des geistigen Geschehens;
und
2.
das tatsächliche, empirische Verbundensein der geistigen mit der
stofflich-leiblichen Welt.
Der Zerstreuer:
Wie willst du das trennen?
Der Sammler:
Wie auch sonst in ähnlichen Fällen des Lebens. Der Kampf z. B.
ist ein geistiges Geschehen, welches die Eigenschaft hat, sittlich
guten oder schlechten Zielen zu dienen, tapfer oder feige, grausam