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Selbstvergegenständlichung —, sondern auch das früher erfolgte In-

sich-zurückgegangen-Sein mit einzubeziehen, das heißt wieder zu ver-

gegenständlichen, es sich überzeitlich als Ganzes wieder gegenwärtig

zu machen — eine in der Welt der Physik unbekannte und uner-

schwingliche Erscheinung!

Im Gedächtnisse bezeugt sich daher abermals das Ich als über-

zeitliche Einheit. Und diese allein ist der Grund dafür, daß der

Mensch seine zeitliche Entwicklung zu überschauen vermag. Was

ein Werk vieler Jahre war, wird wie in einem Blicke erfaßt und als

schöpferische Entfaltung des eigenen Ichs verstanden.

Bei so wunderbaren Eigenschaften will man den Geist mit stoffli-

cher Veränderlichkeit und Hinfälligkeit vergleichen?

Der Zerstreuer:

Du siehst, scheint mir, das Gedächtnis erst im rechten Lichte. Denn

der herkömmliche Begriff des Gedächtnisses als einer „Reproduktion”

sagt nichts, es kommt ja erst auf die Natur dieser „Reproduktion” an.

Der Sammler:

Gewiß, auf das Schöpfertum des Geistes, das sich in ihr offenbart.

„Reproduktion” klingt stofflich, mechanisch, als ob nur die Gehirn-

zellen in dieselben chemisch-physikalischen Zustände kommen müß-

ten, um denselben Geist zu produzieren, reproduzieren — platter

Materialismus, der nicht beachtet, daß der Gei s t es sei, der sich

„besinnt“, Altes zu „wecken” sucht! „Erinnerung” dagegen deutet

auf Insichgehen des Geistes.

Der Zerstreuer:

Und wie beurteilst du die herkömmliche Erklärung aus „Engram-

men”, „Hirnspuren”, „ausgefahrenen Nervenbahnen”, „Residuen”,

„Interferenzen der Erregungswellen” (z. B. in der Hypnose) und ande-

ren in Wahrheit wohl nicht zu Ende denkbaren Begriffen oder Bildern ?

Der Sammler:

Es ist, wie wenn man das Licht durch die Finsternis erhellen

wollte, denn selbst wenn ein „Engramm” durch Wiedererregung

ein altes Wahrnehmungsbild reproduzierte (was ausgeschlossen ist),

so ergäbe das nur ein neuerliches Wahrnehmungsbild, kein Wieder-

erkennen, keine Erinnerung. Das Körperliche zeigt sich auch hier

nur als Vorbedingung des Geistes, nicht aber als hervorbringend.

Daher wohl Gehirnkrankheit und Nervengift das Gedächtnis hemmt,

Gehirngesundheit aber es nicht macht : Es ist geistige Tat.