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Sammlung
das Geheim-
nis des Gei-
stes (aus der
Ausgliede-
rungsordnung
des Geistes
verstanden )
Der Zerstreuer:
Schließt Ganzheit Schöpfertum in sich, dann, es ist nicht zu leugnen,
gelten deine Folgerungen. Aber gleichviel, wie es mit der Ganzheit
überhaupt stehe, so viel erkenne ich: Schöpfertum muß dem mensch-
lichen Geiste zugesprochen werden.
Schöpfertum! Wahrhaftig ein gewaltiges Wort! Es hebt den Geist
in ungeahnte Höhen.
Der Sammler:
Da du dies aussprichst, scheinst du mir erst ganz die Finsternis
zu durchbrechen, die jeder empiristischen Weltbetrachtung anhaftet.
Ich beschwöre dich, nimm deine innere Kraft zusammen, sammle
Licht in deinem Innern, du vermagst es, indem du dich selbst
sammelst.
Wer sich sammelt, dem strömt das innere Licht der Eingebung
zu. Der lernt endlich auch den Geist verstehen.
Immerwährende Anspannung, Einkehr, Sammlung weckt, erhellt
den Geist, der nur durch Selbstsetzung, durch Schöpfung ist; Nach-
lassen dieser Anspannung verdämmert ihn. Daher sah Fichte in
der Trägheit (die auch Zerstreuung ist) das schlimmste Übel des
Geistes, daher sagt das Sprichwort: „Genie ist Fleiß”, daher priesen
alle großen Männer die unermüdliche Tätigkeit. „Die Hauptsache
ist der Fleiß”, schreibt Schiller an Körner, „denn dieser gibt nicht
nur die Mittel des Lebens, sondern er gibt ihm auch seinen allei-
nigen Wert.” Goethe schätzte die Tätigkeit so hoch ein, daß er noch
1829 an Christoph Ludwig Friedrich Schultz schrieb: „Unser Leben
gleicht denn doch zuletzt den sibyllinischen Büchern; es wird
immer kostbarer, je weniger davon übrig bleibt.” So spricht nur,
wem angespannteste Tätigkeit Quel l des Lebens ist.
Der Zerstreuer:
Und wie kann die Sammlung solche Wunder wirken?
Der Sammler:
Das folgt aus dem Wesen des Geistes, der nur durch Sammlung
besteht, je höher er ist.
Wie überall gilt es auch hier, zuerst den Irrtum loszuwerden, ehe
die Wahrheit gefunden werden kann.
Der Zerstreuer:
Welchen Irrtum?