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Dem Geiste

ist der Begriff

der Unsterb-

lichkeit ge-

mäß ; Sterb-

lichkeit ein

ausschließlich

materialisti-

scher Begriff

Zeugnis der

alten Welt

Der Zerstreuer:

Durch Sammlung und Versenkung öffnet der Geist allen seinen

Kräften den Selbstsetzungsgrund, den Schöpfungsquell ?

Der Sammler:

Nicht anders. Der Geist muß immer wieder in seinen Grund

zurückkehren. Dieser Grund, die Selbstsetzung, zielt auf Unvergäng-

lichkeit. Dagegen zeigt es sich klar: der Begriff der Vergänglichkeit

oder Sterblichkeit gehört ausschließlich der äußerlichen, der stoff-

lichen Welt an.

Der Zerstreuer:

Weißt du auch, welch ein Wort du damit aussprichst?

Der Sammler:

Wer je Schöpfertum schmeckte, weiß, daß nicht stirbt, was schafft.

Sterblichkeit ist ein durch und durch materialistischer Begriff.

Aus sich selbst hat der Geist den Begriff der Sterblichkeit nicht.

Er kennt ihn nur durch Erfahrung aus der äußeren, stofflichen Welt.

Ja, soweit er auch die Natur nichtmechanistisch auffaßt, sondern

ihr einen s chöpf eri s chen Bil dung st rieb zuerkennt, muß ihm

auch hier diese schöpferische Wurzel als ein Unzerstörbares er-

scheinen.

Erkennst du daher ein Inneres, Geistiges, als Schöpferisches

überhaupt an, dann kann der Begriff der Sterblichkeit daraus nicht

mehr begründet werden.

Der Zerstreuer:

Ein herrliches Ergebnis!

Der Sammler:

Entsteht aber der Gedanke völliger Hinfälligkeit nur durch die

Beobachtung der Veränderlichkeit der stofflich-räumlichen Tatsachen

in uns, also durch die bloß äußerliche, mengenhafte Auffassung,

welche die Natur nicht als Innerlichkeit nimmt: so ist es auch ver-

ständlich, daß die alte Welt, welche die Natur lebendig auffaßte,

um so mehr der Unsterblichkeit des Menschen ausnahmslos gewiß

war, wovon allein schon die allverbreitete Ahnenrelig ion und

die Gräberkul te ein untrügliches Zeugnis ablegen. Wie sonder-

bar, daß der Blick auf den Ahnenkultus die oberflächliche Ausle-

gung Homers nicht hinderte, daß Zweifel am Unsterblichkeitsglau-

ben der Alten je möglich waren (natürlich von einigen Sophisten

und Skeptikern in der Philosophie abgesehen).