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nes Sein, in dem nichts sich entsinkt, alles gegenwärtig bleibt und
die Zeit überwunden ist.
Freilich ist der menschliche Geist nicht ungeteilt Actus purus.
Aber wenn dem Menschen diese blitzkräftige Durchdringung seiner
geistigen Wirklichkeit aus Früherem und Gegenwärtigem zur zeit-
losen Einheit auch nur teilweise gelingt, ein Funke dieser Zauberglut
lebt doch in seinem Innern! Ein göttlicher Funke, und nicht nur
im Innern des großen Mannes, sondern auch des einfachsten Men-
schenkindes. Denn jeder kann eine Schlußfolgerung ziehen, einen Ge-
dankengang verfolgen, einen Gestaltungsvorgang durchführen, Liebe
in seinem Herzen durch Anfechtungen hindurch festhalten und so
ein Unveränderliches inmitten von Veränderungen behaupten — ein
Sein im Werden, Bestand in der Vergänglichkeit erschwingen, Über-
zeitliches im Zeitlichen sein eigen nennen.
Kann ein Wesen, in dem dieses göttliche Wunder lauterer Wirk-
lichkeit lebt, kann es ganz verloren, kann es je ganz und gar nichtig
sein? Beweist der Mensch doch allein durch das Schöpferische,
welches allen Menschen schon im einfachsten Denken, Gestalten,
Lieben zukommt, daß er sich über den Stoff, über den Raum, über
den Naturverlauf hinwegsetzt; und da diese Tat nicht aus dem
Gegens t ande des Denkens, Gestaltens, Liebens ableitbar, also
durch sich selbst entsprungen ist, daß er damit schon dem Ver-
gänglichen, der Zeit, sich entrissen hat.
Der Zerstreuer:
Diese Größe macht mich aufs neue staunen! Im menschlichen
Geiste Actus purus, lautere Wirklichkeit?
Der Sammler:
Nichts Geringeres!
Der Zerstreuer:
Wie ein Blitz fährt mir diese Erkenntnis durch Mark und Bein.
Ich hielt „lautere Wirklichkeit”, in der nichts der Vergangenheit
angehört, bisher nur für eine kühne aristotelische Spekulation über
die Gottheit.
Nun erst ahne ich so recht den Glanz der Übernatur im mensch-
lichen Geiste!
Der Sammler:
Nimm nun, mein Freund, indem du den Geist betrachtest, den
erhabensten Anblick in dich auf: