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Selbstsetzung, Actus purus, Selbstvergegenständlichung, Ichheit,
freie Selbstbestimmung, zeitüberwindende Einheit des Gedächtnis-
ses — das sind die paradiesischen Farben eines und desselben Lich-
tes, die himmlichen Kräfte unseres lauteren Wesens. Auch ist es
wunderbar, daß sich nun kein isolierter Einzelner mehr zeigt, denn
jeder einzelne ichhafte Geist ist doch zugleich gliedhaft und dadurch
verankert sowohl in Rückverbundenheit wie in Gezweiung. Indem
ihn die erstere mit Gott, die letztere mit den anderen Menschen
verbindet, wird durch Gottinnigkeit und Liebe die tiefste Grundlage
des menschlichen Geistes gelegt.
Der Zerstreuer:
jedoch zeigt der Geist in der empirischen Wirklichkeit alle diese
erhabenen Vermögen nur geschwächt und gehemmt.
Der Sammler:
Aber doch genug, um den Himmel zu stürmen.
Trotz aller Gebrechlichkeit und Gebundenheit an den Stoff muß
der Geist in seinem Schaffensgrunde unsterblich sein. Noch mehr,
wir verstehen nun auch, daß und warum nicht alles am Menschen
unsterblich sein könne. Der Mensch hat durch seine Leiblichkeit
am Stofflichen teil. Daraus folgt, daß er nach Maßgabe dieser Teil-
nahme am Stofflichen in den Strudel der Vergänglichkeit hineinge-
zogen werde. Aber auch der Geist selbst ist gebrechlich.
Wiewohl die höchste Rückverbundenheit seine erste Grundlage
ist, verblaßt dem Menschen oft Gottinnigkeit, Glaube.
Wiewohl Gezweiung das Lebenselement des Geistes ist, ist nicht
alles an ihm Gemeinschaft, Liebe.
Wiewohl Selbstvergegenständlichung, Wissen die erste Äußerung
der Selbstsetzung, ist nicht alles an ihm Vernunft, Wahrheit.
Wiewohl Gestaltung zu seinem Wesen gehört, ist nicht alles an
ihm Reingestalt, Schönheit.
Wiewohl reines Wollen und Handeln eine Wesensnotwendigkeit
des Geistes ist, finden wir nicht alles an ihm gut.
Alles, was am menschlichen Geiste Glaubensleere, Haß, Irrtum,
Häßlichkeit, Unrecht ist, gehört der Vergänglichkeit an. Es fordert den
Tod heraus, weil es seinem Wesen nach nicht beständig zu sein vermag.
Daher, je ausschließlicher ein Mensch im Vital-Leiblichen und
Äußerlichen befangen bleibt; je mehr er selbstisch, ohne Denken, Ge-
stalten, Glauben dahinlebt, um so mehr Vergänglichkeit haftet ihm an.
Nicht alles
am
Menschen
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