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Und wie man nur klagen kann, wenn ein Ohr uns hört, so kann

man auch nur das wahrhaft wünschen und ersehnen, wozu Kräfte

der Erfüllung wenigstens einer fernen Möglichkeit nach in Aussicht

stehen. Wir setzen Himmel und Erde in Bewegung, weil wir wissen,

daß das Vollkommene zuletzt ewig gegründet sei. Alles Sehnen, alles

Leiden hat noch einen Schimmer der Hoffnung, der Reinigung, der

Wiederherstellung in sich. Und darum ist es immer noch ein Zeichen

des Lebens. Das absolut Hoffnungslose dagegen führt zur Verstei-

nerung, nicht zum Leiden.

Der Zerstreuer:

Das sind geheime Empfindungen unseres Innern, die jeder teilt.

Der Sammler:

Wer zweifelt und sich fragt, ob nicht doch bloß ein trügerischer

Hang den Menschen zum Vollkommenen hintreibe, der möge sich

des elementaren Grausens erinnern, das uns angesichts der Unglück-

lichen in einer Irrenanstalt befällt. Es ist nichts anderes als die schöp-

ferische Natur des menschlichen Geistes, die sich in diesem Grausen

aufbäumt. Wer das bedenkt, wird verstehen, wie sehr der Mensch

im Höheren, Vollkommenen gründet und wie tief ihm der Zug zum

Wahren, Schönen, Guten einwohnt!

Der Zerstreuer:

Du hast Recht. Ja, es ist unleugbar, der Zug zum Vollkommenen

kann nicht utilitarisch erklärt werden. In der Sehnsucht nach dem

Höheren spricht sich das verborgenste Wesen des Menschen aus.

Das lehrte schon Augustinus, schon Aristoteles.

Der Sammler:

Alles zusammengenommen, ist demnach dein Einwand aus der

Naturgebundenheit des Geistes kein Beweis gegen, sondern in ge-

wissem Sinne sogar für seine hohe Würde. Gewiß ist seine Gebrech-

lichkeit, seine Naturüberwältigtheit unheimlich, rätselhaft, aber der

Abstand des Geistes von seiner stofflichen Vorbedingung und Grund-

lage wird gerade am Unangemessenen offenbar. Zu leugnen ist die

grausige Tatsache, daß der Geist von seinen naturhaften Grundlagen

aus gestört werden könne, nicht; aber daß die geistige Ordnung

dadurch je zur naturhaften würde, das ist zu leugnen. Geist bleibt

immer Geist und wird nie Stoff, seine Ordnung ist eine grundsätz-

lich andere als die stoffliche, das gilt es festzuhalten.