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wie ja überhaupt ein Dichter ohne Unsterblichkeitsglauben einem
Frühling ohne Blüten, einem Himmel ohne Sonne und einem Meere
ohne Salz gliche. Novalis sagt: Ein gestorbener Mensch ist „ein
in absoluten Geheimniszustand erhobner Mensch.”
Ekstatisch spricht er vom jenseitigen Leben:
„Es bricht die neue Welt herein
Und verdunkelt den hellsten Sonnenschein,
Man sieht nun aus bemoosten Trümmern
Eine wunderseltsame Zukunft schimmern,
Und was vordem alltäglich war,
Scheint jetzo fremd und wunderbar.”
Die letzten Zeilen meinen die sinnliche Welt, die ersten die gei-
stige.
Uhlands, des jüngeren Romantikers, schöne Verse, die man „Ro-
mantisches Heimweh” überschreiben könnte, sind allbekannt:
„Wohl blühet jedem Jahre
Sein Frühling, mild und licht,
Auch jener große, klare,
Getrost! er fehlt dir nicht;
Er ist dir noch beschieden
Am Ziele deiner Bahn,
Du ahnest ihn hienieden,
Und droben bricht er an.”
Die Brüder Schlegel, Eichendorff, Arnim, Brentano, Fou-
que usw. anzuführen, ist überflüssig.
Hölderlin sagte: „Wir sterben, um zu leben.” Ein vorahnendes
Gedicht von ihm, das später seine Grabschrift wurde, lautet:
„Im heiligsten der Stürme falle
Zusammen meine Kerkerwand,
Und herrlicher und freier walle
Mein Geist in’s unbekannte Land!”
Grillparzer sagt in einem Aufsatz über das Wesen des Dramas,
1820, in welchem er seine „Ahnfrau” verteidigt:
„Laßt euch von der Geschichte belehren, daß es eine moralische
Weltordnung gibt, die im Geschlechte ausgleicht, was stört in den
Individuen; laßt euch von der Philosophie und Religion sagen, daß es
ein Jenseits gibt, wo auch das Rechttun des Individuums seine Voll-
endung und Verherrlichung findet.”
Der Zerstreuer:
Grillparzer beweist also aus der dramatischen Notwendigkeit, aus
dem Wesen des menschlichen Schicksals!