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Ein Mann der strengen Wissenschaft, der hochberühmte Mathe-
matiker Gauß, sagte:
„Es gibt in dieser Welt einen Genuß des Verstandes, der in der Wissen-
schaft sich befriedigt, und einen Genuß des Herzens, der hauptsächlich
darin besteht, daß die Menschen einander die Mühsale . . . des Lebens
gegenseitig erleichtern. Ist das aber die Aufgabe des höchsten Wesens,
auf gesonderten Kugeln Geschöpfe zu erschaffen und sie, um ihnen ei-
nen solchen Genuß zu bereiten, 80 oder 90 Jahre existieren zu lassen,
so wäre das ein erbärmlicher Plan. Ob die Seele 80 Jahre oder 80 Mil-
lionen Jahre lebt, wenn sie einmal untergehen soll, so ist dieser Zeit-
raum doch eine Galgenfrist. Endlich würde es vorbei sein müssen. Man
wird daher zu der Ansicht gedrängt, für die so vieles Andere spricht,
daß neben unserer materiellen Welt noch eine andere, zweite, rein geistige
Weltordnung existiert, mit so viel Mannigfaltigkeiten als die, in der wir
leben: — ihrer sollen wir teilhaftig werden.”
Der Zerstreuer:
Eine größere Autorität als Gauß pflegt es sonst für den Natur-
forscher kaum zu geben.
Der Sammler:
Zu ihm gesellt sich unter anderen sein großer Zeitgenosse Graß-
mann, der Verfasser der „Ausdehnungslehre”, der in einer eigenen
Schrift 1878 seine Unsterblichkeitsüberzeugung entwickelte. Beide
stehen von Kepler bis heute keineswegs allein. Der große Kepler
schrieb in ein Stammbuchblatt, das Carriere mitteilte:
„Wenn hier zu leben tägliches Sterben ist,
Ja, wenn des Lebens Prinzip das Sterben ist,
Was zagst du dann, zu vergehen, um
Sterbend, o Mensch, neu geboren zu werden?”
Dem großen Biologen Karl Ernst von Baer war die Unsterblich-
keit so selbstverständlich, daß er in seinen „Reden” (1864, 5. Vor-
trag) erklärte, es verlohne sich nicht, demjenigen, der
„das Bewußtsein der eigenen Selbständigkeit nicht in sich trägt oder
sich durch sophistische Zweifel abdisputiren läßt,... dasselbe wiedergeben
zu wollen.’
Tiefer veranlagte Ärzte können, durch ihre Erfahrungen an Ster-
benden belehrt, den Materialismus vieler Naturforscher nicht mit-
machen. Nimm ein Beispiel für viele, das ich in Georg Friedrich
Daumers kleinem Büchlein „Der Tod des Leibes — kein Tod der
Seele”, 1865, angeführt fand. Der Arzt Ennemoser, ein Spätro-
mantiker, schreibt 1851 so lebenswahr wie überzeugend: