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„Ich selbst bin Ewigkeit, wenn ich die Zeit verlasse
Und mich in Gott und Gott in mich zusammenfasse.”
„Ich glaube keinen Tod; sterb ich gleich alle Stunden,
So hab ich jedesmal ein besser Leben funden.”
„Die Kreatur ist mehr in Gotte, denn in ihr;
Zerwird sie, bleibt sie doch in ihme für und für.”
Der Zerstreuer:
Ich fühle die Größe dieser Gedanken. Sie sind der köstlichste Besitz
des Menschen.
Der Sammler:
Allerdings ist nach den Regeln der Logik die Übereinstimmung
vieler, der sogenannte Beweis ex consensu gentium, im strengen
Sinne kein Beweis. Doch wird das Zeugnis der größten Geister
und das Bewußtsein aller Völker jeden dazu auffordern, die inneren
Grundlagen seiner Überzeugung zu prüfen und auf das verborgene
innere Wissen der eigenen Unzerstörbarkeit zurückzugehen.
Wer dieses Wissen einmal fand, gewinnt eine andere Stellung zur
Welt. Ihm spricht aus allem eine göttliche Kraft, die dauert und erhält:
aus dem Schaffen das Geschaffenwerden; aus der Zeit das Zeitlose; aus
dem Raume das Raumlose; aus der Gestalt das Gestaltende; aus der
Selbstheit die Hingabe; aus dem Denken die Eingebung; aus dem
Einzelnen das Ganze; aus dem Unvollkommenen das Vollkommene.
Gar viele Fragen drängen sich noch auf; doch laß uns enden.
Schon erscheint der erste Silberstreifen des kommenden Morgens
am Himmel. Genug, mein Freund, der Hüter der Schwelle ist be-
siegt, wir sind zum Heiligtume durchgedrungen, indem wir erkennen:
Alles, was Geist hat, gehört einem Geschlecht an, das nicht von
dieser Erde ist.
Der Zerstreuer:
Deinen Gedanken, das gestehe ich nunmehr ohne Vorbehalt, muß
ich durchaus zustimmen. Indessen, ich fühle es, damit ist noch
nicht alles getan, auch das Herz muß mitgehen.
Die Erkenntnisse des Wahren sind die Flügel, uns zum Unsterb-
lichen unserer Seele hinaufzuschwingen.
Wohlan denn! Ich will mich sammeln und nicht ablassen, bis
auch in mir die Flügelkraft wachse.
Ende