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zuweisen, daß er seinen Anspruch vielmehr darauf beschränken
wolle, mit analytischen Mitteln gezeigt zu haben: Es gibt Unsterb-
lichkeit; das Wie dieser Unsterblichkeit muß vielleicht noch weit-
gehender offengehalten werden, als ich es bei der ersten Abfassung
des Gesprächs offengehalten habe!?
Wie dem auch sei, jedenfalls kann der Leser aus dem Zitat ent-
nehmen, daß Spann nach wie vor an seinem Anspruch festhielt, auf
analytischem Wege, das heißt auf dem Wege einer wissenchaftlichen
Analyse des unmittelbar Gegebenen, einen stichhaltigen Unsterb-
lichkeitsbeweis (beziehungsweise stichhaltige Unsterblichkeitsbe-
weise) entwickelt zu haben. Dabei dürfen wir uns durch den Um-
stand, daß Spann den Ursprung des Unsterblichkeitsglaubens in die
unmittelbare mystische Erfahrung verlegte, nicht beirren lassen.
Damit wollte er keineswegs behaupten, jeder Unsterblichkeitsbe-
weis setze die unmittelbare mystische Erfahrung voraus, um Beweis-
kraft zu erlangen und einsehbar zu werden. Zumeist müssen Über-
zeugungen bereits da sein, bevor Beweise für ihre Richtigkeit ge-
führt werden können. Der Fall, daß man auf dem Wege von Beweis-
führungen auf neue Überzeugungen kommt, ist die Ausnahme. Im
allgemeinen kommt man auf ein völlig verschiedenes Resultat, wenn
man den beiden folgenden Fragen auf den Grund geht: 1. Auf wel-
chem Wege ist die Überzeugung x zustandegekommen? 2. Wie kön-
nen wir, nachdem wir Kenntnis von dieser Überzeugung gewonnen
haben, heute die Richtigkeit dieser Überzeugung auf die wissen-
schaftlich befriedigendste Weise dartun? Die Frage nach der Genesis
einer Erkenntnis muß von der Frage, ob und wie sie wissenschaft-
lich als Erkenntnis nachgewiesen werden kann, grundsätzlich ge-
schieden werden. Man muß sich also vor dem Mißverständnis hüten,
Spann berufe sich im „Gespräch über Unsterblichkeit“ bei all seinen
Beweisen letzten Endes auf die durch mystische Versenkung un-
mittelbar gegebene Gewißheit.
Zweifellos will also unsere Schrift einen wissenschaftlich un-
umstößlichen Beweis für die Unsterblichkeit der Menschenseele bie-
ten. Sie will ihn, und dies ist ein weiterer bezeichnender Zug, zu-
gleich in solcher Form bieten, daß seine Durchschlagskraft allen nur
erdenklichen Einwänden gegenüber aufrechterhalten werden kann.
Auch dann, wenn dieses Gespräch nicht schon während des ersten
Weltkrieges zustande gekommen wäre, hätte Spann darauf gebrannt,
allen jenen, welche über das innere Verhältnis von stofflichen Vor-
gängen und menschlichem Denken voreilige, dabei aber zunächst
wissenschaftlich scheinende Theorien aufstellten, klarzumachen, auf
wie brüchigem und nachgiebigem Boden sie standen. Vor allem hatte
er es auf Thesen und Hypothesen der folgenden Art abgesehen:
Sinnliches ist nichts anderes als ein verdichteter und komplexer
gewordener materieller Prozeß; das Denken ist nichts anderes als