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Was die Unsterblichkeitsbeweise betrifft, so ist hier anzumerken,
daß z. B. A u g u s t i n u s (f 430) und Johannes D u n s S k o t u s
(t 1308) der Auffassung waren, die Unsterblichkeit der Menschen-
seele lasse sich nicht aus der Vernunft beweisen. Skotus hat ent-
sprechend schon im Mittelalter (auch der inzwischen konzilianter
gewordene Thomismus rechnet ihn heute zur Hochscholastik: Skotus
war kein Skeptizist, er anerkannte zum Beispiel vollgültige Gottes-
beweise) alle von T h o m a s v o n A q u i n und anderen ins Treffen
geführten Unsterblichkeitsbeweise als nicht stichhältig zurückge-
wiesen. Er war der Meinung, vollgültige Sicherheit über unsere Un-
sterblichkeit hätten wir nur aus dem Glauben. Dies alles lehrte
Skotus, obwohl er im Sinne Spanns durchaus ein Sammler war.
Kaum einer der Scholastiker hat so wie er die Selbsterfassung und
Selbstbestimmung, das geistige Schöpfertum und die Berufung zur
universalen Selbstvervollkommnung ins geistige Blickfeld gebracht.
Vieles, was Spann über die geistige Selbsterfassung sagt, findet sich
bei Skotus viel eindeutiger als etwa bei Thomas von Aquin
1
.
Man kann also gegen Skotus nicht einwenden, er habe die Eigen-
art des Geistigen nicht genügend gesehen und habe deshalb die
Beweiskraft der Unsterblichkeit aus der Vernunft bestritten. Trotz-
dem können wir nicht sagen, daß Skotus in unserer Frage das letzte
Wort gesprochen hat. G e r a d e s e i t d e m l e t z t e n W e l t -
k r i e g h a t d i e t h e o l o g i s c h e B i b e 1 w i s s e n
s
c
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a
f
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e i n e W e n d u n g g e n o m m e n , w e l c h e d i e U n s t e r b -
l i c h k e i t s f r a g e i n e i n e n g a n z n e u e n
F r a g e h o r i -
z o n t h i n e i n s t e l l t . Nicht ohne jede Berechtigung hat man
das Problem aufgeworfen, ob unsere traditionelle Theologie, aber
auch die Theologie des Mohammedanismus und anderer monotheisti-
scher Religionen den U n t e r s c h i e d z w i s c h e n b i b l i s c h e m
u n d g r i e c h i s c h e m U n s t e r b l i c h k e i t s b e g r i f f genü-
gend beachtet hat
2
. Die Verschiedenheiten, die von der Bibelwissen-
schaft bisher in diesem Zusammenhang geltend gemacht wurden,
könnten zum Ergebnis führen: Könnte es nicht so sein, daß zwar
jene Unsterblichkeit, wie sie die Griechen und in Abhängigkeit von
ihnen die Synthetiker zwischen Offenbarung und griechischer Philo-
sophie zur Theologie lehrten, nicht aus der Vernunft beweisbar ist,
wohl aber eine gewisse andere Form der Unsterblichkeit, welche
1
Vgl. dazu meine Schrift: Schauendes und begriffliches Erkennen nach
Duns Skotus, mit kritischer Gegenüberstellung zur Erkenntnislehre von
Kant und Aristoteles, Freiburg i. Br. 1942.
2
Vgl. dazu z. B.: Ansgar Ahlbrecht O. S. B.: Tod und Unsterblichkeit
in der evangelischen Theologie der Gegenwart (Konfessionskundliche
und kontroverstheologische Studien, herausgegeben vom J.-A.-Möhler-
Institut, Bd. 9), Paderborn 1964.