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Die Entstehung des „Gespräches“ fällt — wie schon im ersten
Teile erwähnt wurde — in die ersten Jahre des ersten Weltkriegs,
den Othmar Spann als Leutnant, später Oberleutnant mitmachte.
Da er aber nach einer Verwundung in Galizien im Frühjahr 1916
zu wissenschaftlichen Diensten nach Wien abkommandiert wurde
und im „Wissenschaftlichen Komitee für Kriegswirtschaft am k. u. k.
Kriegsministerium“ intensiv mit volkswirtschaftlichen Fragen be-
schäftigt war, darf man mit ziemlicher Sicherheit das Jahr 1915 als
Entstehungsjahr ansetzen.
Spann war bei Kriegsausbruch ordentlicher Professor für Volks-
wirtschaftslehre an der Deutschen Technischen Hochschule in Brünn
(Mähren) und hatte bereits eine überaus erfolgreiche Tätigkeit als
Gelehrter und Lehrer hinter sich. Seiner Stellung entsprechend,
hatte er sich vor allem in der Statistik, Volkswirtschafts- und Ge-
sellschaftslehre betätigt und außer zahlreichen bedeutsamen Auf-
sätzen über Berufsvormundschaft, Bevölkerungsstatistik und metho-
dische Fragen drei grundlegende Bücher veröffentlicht: „Die Haupt-
theorien der Volkswirtschaftslehre“ (1. Auflage 1911), „Theorie der
Preisverschiebung“ (1913) und das „Kurzgefaßte System der Ge-
sellschaftslehre“ (1914). Auch das 1918 erschienene Buch „Fundament
der Volkswirtschaftslehre“ war bei den Vorlesungen an der Brünner
Hochschule bereits weitgehend vorbereitet worden.
Schon in den statistischen Aufsätzen wird gezeigt, daß das Er-
gebnis der mathematischen Berechnung stets von der Anordnung
und Gliederung des Stoffes abhängig bleibt, daß die mathematischen
Verfahren in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften also stets
einen richtigen Einblick in die sachgemäße Ordnung der Dinge zur
Voraussetzung haben. Daß solcher Einblick nur dann möglich ist,
wenn man nicht von den einzelnen Teilen, sondern von ihren ver-
schiedenartigen, einander ergänzenden Aufgaben im Ganzen aus-
geht, ist die Erkenntnis, von der die nun folgenden Bücher getragen
werden.
Diese Erkenntnis gibt Spann die Möglichkeit, in dem lehr-
geschichtlichen Werke „Die Haupttheorien der Volkswirtschafts-
lehre“ der Darstellung der verschiedenen Lehrgebäude — zum er-
sten Male im Rahmen der damaligen Wissenschaft — eine kritische
Beurteilung folgen zu lassen. Ihr Maßstab liegt darin, ob eine
Theorie der inneren, sachlich gegebenen Gliederung der Wirtschaft
gerecht wird oder ob sie von den vorhandenen Einzelkräften (Wert,
Preis usw.) das Ergebnis ableiten möchte. Die beiden Verfahren
werden an zentraler Stelle des Buches als „Universalismus“ und
„Individualismus“ scharf einander gegenübergestellt und klar um-
schrieben. „Universalismus“ ist jene Haltung, die von den „Uni-
versalien“, den höheren Ganzheiten ausgeht, die alles Einzelne als
gliedhaft erfaßt und alles Tun als mitbedingt durch anderes Tun.