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Wie sah dieses Gespräch nun aus, als Spann es 1938 hervorholte?
Diese Frage drängt sich auf, wenn man das Werk als einen Quer-
schnitt durch das philosophische Schaffen Spanns begreifen und deu-
ten will.
Wiewohl die damalige Fassung nicht erhalten ist, gibt uns
Spanns Arbeitsweise die Möglichkeit, sie zu erschließen, in die
Hand. Pflegte er doch, solange ihm dies möglich war, jede Arbeit
abschreiben zu lassen: halbbrüchig, so daß ein breiter Rand frei
blieb. Hier brachte er dann seine Verbesserungen, Einschübe, Be-
merkungen an, worauf dieses stellenweise sehr veränderte Schrift-
stück neuerdings zur Abschrift kam. Dieser Vorgang wurde so lange
wiederholt, bis eine einigermaßen endgültige Fassung erreicht war,
die dann der Setzer erhielt.
So liegt uns als älteste erhaltene Fassung eine Abschrift vor, die
Spann nachträglich mit Bleistift „Im Frühjahr 1939“ datierte,
die wohl die frühesten Korrekturen Spanns mit einbezog, doch dürf-
ten diese nicht einschneidend gewesen sein. War diese erste Ab-
schrift doch, wie gesagt, schon im Frühjahr 1939 mit sehr umfang-
reichen Zusätzen versehen als „druckfertig“ an den Verlag Bruck-
mann in München versandt worden. Vielleicht hat Spann sogar das
ursprüngliche Manuskript des Jahres 1938 selbst noch vor Beginn
der Neubearbeitung abschreiben lassen, um diese dann gleich in
der gewohnten Weise auf dem freien Rande aufnehmen zu können.
Unausgeglichen blieb in dieser ältesten erhaltenen Handschrift
vom Frühjahr 1939 die Bezeichnung der Unterredner. Im Gespräch
werden sie bereits unpersönlicher als: „Zerstreuer“ und „Sammler“
bezeichnet, während der—wohl etwas früher abgefaßte oder wesent-
lich erweiterte — „Vorbericht des Herausgebers“ ihre Namen nennt:
Aldiger heißt der „Zerstreuer“, Wolfdietrich der „Sammler“. Dieser
„Vorbericht“ — in dem sich Spann selbst also nur als Herausgeber
bezeichnet —, der, wie schon erwähnt, weitgehend wirkliches Ge-
schehen festhält, gibt auch eine Schilderung der beiden Freunde,
die bedeutsam ist. „Beide“, so heißt es da, „vereinte... noch mehr
als das gemeinsame Fach die unstillbare Leidenschaft zur Philo-
sophie. Zusammen hatten sie alle bedeutenderen Lehrer gehört, zu-
sammen alle Übungen besucht, die sie zu diesem Zwecke irgend
dienlich erachteten, und einander eifrig über die philosophischen
Werke berichtet, die sie durchgelesen und durchgedacht. Daran
schlossen sich lange Aussprachen voll glühenden Eifers. Es war ein
Suchen und Tasten, ein Finden und Wiederverlieren ohne Unterlaß,
das den jugendlichen Geist trotz mancher Rückschläge mit immer
neuen Hoffnungen erfüllte.“
„Beide Freunde hatten auch dieselbe Richtung in der Philosophie
eingeschlagen, jene nämlich, die ihnen einerseits durch die unbe-