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nützen, ja dort, wo sie beseelt erscheint — im organischen Leben —,
sich ihr verwandt fühlt.
1
Dieser Hinweis auf eine „beseelte“ Natur erregt in Aldiger den
Verdacht, sein Freund wolle ein pantheistisches Weltbild verteidigen,
in dem der Natur eine Allseele zugeschrieben, sie vergöttlicht wird.
In der Urfassung dürfte dieser „Verdacht“ sehr rasch beseitigt wor-
den sein durch den Hinweis Wolfdietrichs: aller Pantheismus sei
verkappter Materialismus. Denn ein Gott, der in der stofflichen Welt
verfließe, sei eben nichts anderes als Stoff.
2
Nach Beseitigung dieses Mißverständnisses geht Wolfdietrich
dazu über, das wahre Wesen des Geistes zu erweisen. Die Natur
schafft nach starren Gesetzen unendliche Räume. Der Geist über-
höht sie, indem er dies alles zu erdenken vermag, er überhöht sie
noch weit mehr durch seine I n n e r l i c h k e i t , durch Gemüt, Ge-
fühl, Liebeskraft. In diesen Fähigkeiten ist der Geist frei von allen
Gesetzen, fern aller Räumlichkeit, ja er bildet als eine in sich ge-
gründete Einheit eine überräumliche Welt. Die Gesetze der Natur
reichen an ihn nicht heran, er ist „frei“, nur den eigenen logischen
Ordnungen verantwortlich verläuft sein Denken, nach eigener Ent-
scheidung bestimmt er sein Handeln. Der Mensch ist ein sittliches
Wesen, er denkt und handelt „richtig“ oder „unrichtig“, nach Ge-
sichtspunkten also, die der Natur fremd und unerschwinglich sind.
In diesem Sinne ist er von allen stofflichen Einwirkungen unberühr-
bar. Alle Versuche, Denken und sittliches Tun kausalmechanisch zu
erklären, sind kläglich gescheitert. Es wäre auch verfehlt, von der
Zukunft Klärung zu erhoffen, handelt es sich doch um zwei Welten
von völlig verschiedener Wesensart.
3
Die Eigenart des Geistes erfüllt sich in der P e r s ö n l i c h k e i t .
Diese ist keinesfalls aus der Einmaligkeit des Wesens oder als eine
Bündelung von Vorstellungen und Eindrücken zu erklären. Nur
dadurch, daß der Geist sich selbst weiß, daß er sich selbst Objekt
sein kann, vermag er die zahllosen Eindrücke und Gedanken über-
haupt zu bewältigen und als Einheit zu bewahren. Als solche Ein-
heit vermag er sich zu entfalten in Lieben, Denken, Gestalten, Wol-
len und in allem seinem Wirken, denn er ruht in sich. Alle Versuche,
den Geist an die Gesetze des Stoffes zu binden, mußten fehlschlagen.
So die Hypothese eines „psycho-physischen Parallelismus“, die sich
in der Wirklichkeit nirgends bewährt, so die Theorie einer „Wech-
selwirkung von Leib und Seele“. Der Geist gehorcht einem anderen
Weltgesetz als der Stoff, er steht sich selbst frei gegenüber und
gebietet sich selbst.
4
Zwar ist nicht zu bestreiten, daß die mathe-
1
Vgl. oben S. 8—13, 16 und 17.
2
Vgl. oben S. 21, 22, 26—28 und 31.
3
Vgl. oben S. 32, 33, 38 und 40—43.
4
Vgl. oben S. 45, 51 und 52.