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Gesellschaft), schließlich zum subjektiven (persönlichen) Geist. Für
die Ideenlehre bringt Spann völlig neue Gesichtspunkte heran: Da
die stoffliche Welt ein Bereich für sich ist, das dem Geiste wesenhaft
fern steht, kann es von diesem Bereich und seinen Qualitäten
(z. B. den Farben, Zahlen) keine Ideen geben. Ihr Wirken beginnt
erst dort, wo der Stoff vom Geiste durchdrungen wird, in der be-
lebten Natur, und beherrscht vor allem das Denken. Damit lösen
sich alle Schwierigkeiten, welche der Ideenlehre seit Aristoteles ent-
gegengehalten wurden.
Die Lehre vom objektiven Geiste wollte Spann in einem zweiten
Bande behandeln: die Gesellschaftsphilosophie als Ausgliederung,
die Geschichtsphilosophie als Umgliederung, die Religionsphilosophie
als Rückverbundenheit des objektiven Geistes. Doch überließ er die
Gesellschaftsphilosophie (und Sittenlehre) seinem Freunde Manfred
Schröter zur Veröffentlichung in dessen „Handbuch der Philosophie“,
wo sie im gleichen Jahre 1928 erschien. Im „Schöpfungsgange“ ist
daher nur die Lehre vom subjektiven Geiste dargestellt. Die Grund-
tatsache, daß alles Leben des Geistes Schaffen aus Geschaffenwerden
ist, erfährt hier eine großartige Ausgestaltung, welche die ganze
Ärmlichkeit der herrschenden Psychologie deutlich macht. Alles gei-
stige Geschehen wird auf die innere Tiefe, den „unoffenbaren Gei-
stesgrund“ zurückgeführt, durch welchen der ausgegliederte Geist
mit dem Allgeiste verbunden ist. Er bildet auch die Grundlage der
Selbstbezogenheit und der Persönlichkeit. Über ihn, der selbst noch
vor aller Bewußtheit steht, erhebt sich das „übersinnliche Bewußt-
sein“, das noch jenseits aller Konkretisation stehende Erlebnis der
Geborgenheit in einem Höheren. Die Einsicht, daß hier noch vor
allem sinnlichen Erleben die Erfahrung gemacht wird, mit anderen
in geistiger Gemeinschaft, in „Gezweiung“ zu stehen, daß also Ge-
müt, Liebeskraft und Innigkeit das Erwachen des Geistes vor
jeder Sinneserfahrung begründen, ist eine der genialsten Entdek-
kungen Spanns. Erst nun entfaltet sich der Geist als Wissen und
Gestalten in Erkenntnis und Kunst, die ihrerseits weiterdrängen
zum ausübenden Bewußtsein, zu Wollen und Handeln, die beide
Vorgeordnetes verwirklichen. Sie stehen in engster Bezogenheit zur
letzten Ausgliederungsstufe des Geistes, die durch die Verbindung
mit dem Leibe gegeben ist: zur inneren Sinnlichkeit (dem Trieb-
leben) und zur äußeren Sinnlichkeit, welche uns durch die Sinnes-
organe mit der Außenwelt verbindet.
Nachdem so die Geisteslehre in ihren Grundzügen dargestellt ist,
bringt der „Schöpfungsgang“ noch die wesentlichsten Voraussetzun-
gen für eine Naturphilosophie. Da dieser jedoch später ein eigenes
Buch gewidmet wurde, mag der Bericht über die Grundgedanken
bis dahin aufgeschoben sein.
Unmittelbar nach dem „Schöpfungsgang“ erschien, wie gesagt, die