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wird eingeführt: erst dadurch, daß der Mensch seine Wahrnehmun-

gen und Gedanken zum Gegenstande nehmen kann, erlangt er

Selbstbewußtsein. Spann hat zwar

1

klar ausgeführt, daß seine Geist-

lehre über die reine Subjekt-Objekt-Setzung hinausgeht, denn

Selbstobjektivierung ist ja bereits Wissen, das — wie er erkannt

hatte — Gezweiung voraussetzt und sich in Eingebung und Annahme

scheidet. Überlieferungstreu, wie immer, nahm er trotzdem seinen

Weg über Fichtes Grundbegriff, sah sich aber bei einer späteren

Ergänzung veranlaßt, den Sachverhalt auch ganzheitlich zu erklären

(Seite 44, unten) und die Bedeutung der Gezweiung wenigstens an-

zudeuten.

Nun erst wird der Begriff „Persönlichkeit“ (gemäß der ersten

Fassung) eingeführt, der ja Selbstbezogenheit und freie Selbst-

bestimmung zur Voraussetzung hat. Schließlich wird noch die empi-

rische Auffassung widerlegt, das Selbstbewußtsein entstünde erst

dadurch, daß die subjektive Erfahrung den Gegensatz zur Außen-

welt bewußt mache; hat diese Erfahrung doch Selbstbewußtsein,

Ichheit zur Voraussetzung

2

. Darum machen Selbstvergegenständ-

lichung und Ichheit auch die Wirklichkeit der Gesellschaft wie der

Natur erst denkbar. Um dies zu erklären, muß allerdings wieder der

Begriff der Rückverbundenheit herangezogen werden, ohne daß er

bisher erläutert wurde. Die Befaßtheit in der Gemeinschaft wie in

der Natur hebt uns ja aus dieser heraus und läßt sie uns begreifen.

Seite 53 bis 59: Wie verhält sich nun der Geist zum Leib? Da er

auf sich selbst gestellt ist und sich selbst objektiviert, ist er „leib-

frei“, er gehorcht anderen Kategorien als der Stoff. In seinem irdi-

schen Dasein ist er freilich in vielfachem Sinne an stoffliche „Vorbe-

dingungen“ gebunden. Doch sind diese von dem geistigen Geschehen,

von der Empfindung, dem Bewußtseinsakt, scharf zu scheiden. Sie

sind rein werkzeuglich. Daß uns die Empfindung bewußt wird, ist

nichts anderes als „Selbstvergegenständlichung“, ein rein geistiges,

„leibfreies“ Geschehen. Die durchaus werkzeugliche Rolle des Leibes

wird gerade dann deutlich, wenn der Geist durch ihn gehemmt wird

und zu versagen scheint. Tritt er doch in dem Maße wieder in Tätig-

keit, als die Hemmung behoben wird. Er selbst wurde also nicht be-

troffen, konnte nicht betroffen werden, weil er über seinem Werk-

zeug steht, ja dieses sogar bedingt. Notwendig muß ja das Werkzeug

nach seiner Aufgabe gestaltet werden, nicht umgekehrt! Der Geist

kann sogar über das Werkzeug hinweg handeln, er kann sich andere

Hilfen erbilden, er kann sich auch unmittelbar durchsetzen (Hypnose

und Hysterie). So bedeutet auch der Tod nichts anderes, als daß der

Geist von den stofflichen Vermittlungen befreit, sich selbst zurück-

1

Othmar Spann: Erkenne Dich selbst, Jena 1935, S. 62 f. und 231 f.

2

Othmar Spann: Erkenne Dich selbst, Jena 1935, S. 383 f.