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Der bisher besprochenen Niederschrift vom Frühjahr 1939 folgten
noch mindestens fünf weitere. Doch enthält schon die nächstfolgende,
datiert „Im Frühjahre 1940“, das Werk im wesentlichen so, wie es
nun im Druck vorliegt. Diese zweite erhaltene Fassung wurde spä-
testens im März 1941 an die Professoren Paul Althaus, Erlangen, und
Dr. F. Brunstäd, Rostock, gesandt mit der Bitte, dem „Gespräch“
zur Veröffentlichung zu verhelfen, natürlich vergebens (Absagebriefe
vom 24. April und 17. Mai 1941). Zwischen den beiden Fassungen
liegen also rund zwei Jahre, Zeit genug für die umfangreichen
Erweiterungen, die das Buch erfuhr. Da sie zum größten Teil bereits
in der halbbrüchigen Abschrift enthalten sind, muß zwischen den
beiden erhaltenen Handschriften eine weitere bestanden haben, auf
welcher die eigentliche Erweiterungsarbeit vollzogen wurde. Wegen
der vielen Eintragungen war sie wohl so unübersichtlich, daß sie
vernichtet wurde.
Die zweite erhaltene Handschrift vermittelt einen klaren Ein-
blick in die Werkstatt Spanns. Wieder wurden zahlreiche kleinere
Korrekturen vorgenommen, der Ausdruck wurde gestrafft, der Text
durch Einwände geklärt, das Gespräch dramatischer gestaltet. Ent-
scheidend ist aber, daß nun erst Spann den ungeheuren Stoff seiner
großen philosophischen Werke in das „Gespräch“ eingebaut hat. Daß
davon bei der ersten Bearbeitung (1938/39) kaum etwas zu spüren
war, ist wohl damit zu erklären, daß sich Spann nach seiner Haft,
durch die schwere Augenoperation geschwächt, bedrängt durch die
völlige Zerstörung seiner Existenzgrundlagen, selbst erst einen Über-
blick über das Ineinandergreifen der Gedanken verschaffen mußte.
Da er zunächst noch auf baldige Drucklegung hoffte, beschleunigte
er die erste Ausarbeitung und erst, als diese Hoffnung erschüttert
war, griff er weiter aus. So bedeutete diese zweite Ausarbeitung des
Gespräches auch für Spann selbst ein neuerliches Sich-Einleben in
seine philosophischen Arbeiten. Die neue vertiefte Einstellung
Spanns kommt auch darin zum Ausdruck, daß die ersten Erörterun-
gen (Seite 7 bis 30), die noch weitgehend eine Auseinandersetzung
mit dem naturwissenschaftlichen Verfahren enthalten, kaum Ein-
schübe oder Änderungen erhielten, daß diese immer zahlreicher
werden, je mehr das Gespräch einer aufbauenden Haltung zustrebt,
während der dritte Teil, in welchem ein neues Weltbild alle Fragen
überhöht, fast völlig neu geschrieben wurde
1
.
Wir bringen die wesentlichsten Neuerungen wieder gemäß dem
Fortgange der Unterredung.
1
Diese zweite Überarbeitung ist so entscheidend, daß es kaum noch nötig
sein dürfte, von ihr auch noch die weiteren Umarbeitungen, Änderungen
und Einschübe abzusetzen. In der folgenden Darstellung sind also alle
Veränderungen eingeschlossen, welche das „Gespräch“ bis zur endgül-
tigen Fassung erfuhr.