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gegeben wird. Er wird dadurch nicht gewandelt, nur sein Verhältnis
zur stofflichen Welt ändert sich.
Seite 65: Da der Umfang des Buches durch die Einschübe gewaltig
anwuchs, war eine Gliederung notwendig. Spann bewirkte sie durch
die Darstellung kriegerischer Ereignisse, die zugleich die gespannte
Lage, in welcher das Gespräch stattfindet, betonen.
Seite 69 bis 71: Den Einschnitt benützt Spann, seine ganzheitliche
Betrachtungsweise, die bisher wohl hin und wieder herangezogen,
doch nicht erläutert wurde, sachlich einzuführen. Die Grundbegriffe
werden in größter Knappheit dargelegt: Der Einzelne ist Glied einer
Ganzheit, kann also auch nicht als Einzelner vernichtet werden.
Wieder erweist sich die „Rückverbundenheit“ als die eigentliche
Esoterik der Ganzheitslehre. Sie zeigt, daß unser Geist stets im
Höchsten befaßt ist und gibt ihm erst dadurch Bedeutung. Tod ist
nichts anderes als Rücknahme des Gliedes, das damit aber keines-
wegs seine Persönlichkeit, seine Ichheit verlieren kann. Dadurch
unterscheidet sich die Rückverbundenheit des menschlichen, selbst-
bewußten Geistes von dem Gattungsbegriff der organischen Wesen
(Tiere, Pflanzen), welche kein Selbstbewußtsein besitzen.
Wieder, wie schon früher (Seite 44), lenkt der „Zerstreuer“ zur
gewohnten Betrachtungsweise und damit zur ursprünglichen Text-
gestaltung zurück.
Seite 79 bis 83: Nachdem dieser ursprüngliche Text im Begriffe
der „Selbstsetzung“ seinen Höhepunkt erreicht hat (Seite 75), der
zunächst kurz durch ganzheitliche Kategorien erläutert wird
(Seite 76), geht Spann zur ganzheitlichen Betrachtung über, indem
er den Begriff des „Schöpferischen“ (der Spontaneität) näher um-
schreibt. Da alles Schöpfertum kraft der Rückverbundenheit von oben
her gespeist (also rezeptiv) ist, ist völlige Selbstherrlichkeit und
Selbstgegründetheit der Einzelnen unmöglich. Alles Sein ist ja „Schaf-
fen aus Geschaffenwerden“
1
. Die Hervorbringung von Neuem, Nie-
dagewesenem zeugt von der Gegründetheit des Geistes im Urschöp-
fer, kann nicht durch stoffliche Kausalität bedingt sein. Ebensowenig
läßt sich Gedächtnis oder Erinnerung physiologisch erklären. All
das ist geistige Tat, aber keine willkürliche, sondern Selbstsetzung
im Geschaffenen, schöpferische Annahme (Objektsetzung) des Ein-
gegebenen. Auch die sinnliche Empfindung fordert Eigentätigkeit
des Geistes, obwohl sie Qualitäten vermittelt, die nicht aus dem Geiste,
sondern aus der Natur stammen. Rein tritt uns dagegen die schöpfe-
rische Kraft des Geistes in Liebe, Denken, Gestalten und Wollen
entgegen. Hier vermag der Geist in erhöhten Zuständen sogar Raum
und Zeit zu überwinden. — Den klarsten Beweis für das schöpfe-
rische Wesen gibt aber der Satz der Ganzheitslehre: „Das Ganze
1
Othmar Spann: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 44 ff.