Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8668 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8668 / 9133 Next Page
Page Background

176

sollten zwei völlig beziehungslose Wesenheiten aufeinander wirken?

Sofern sie es können, müssen beide in diesem Gemeinsamen befaßt

sein: der Dualismus enthüllt sich als Trialismus. Hier wurzelt ja

auch das Erlebnis der „Gezweiung“, das die Verbindung der Glieder

in einem Höheren als Grundlage alles geistigen Lebens erkennt. Mit

fast erschreckender Schärfe wird dann diese Verbundenheit im

Höheren unterstrichen durch die Feststellung der Kategorienlehre

(Lehrsatz 17): „Gezweiung hat die Weise der Beziehungslosigkeit

oder Unberührbarkeit der. .. Glieder“

1

. Von hier war es aber nicht

mehr weit zu dem großen Gedanken einer „Gezweiung höherer Ord-

nung“ zwischen Geist und Stoff, wie sie im „Schöpfungsgange“ (1928)

schon weitgehend durchdacht ist. Und doch war alles dies nicht

möglich ohne ein tiefinneres Erlebnis und eine neue Sicht der Natur.

Rein vital begegnet uns die neue Haltung zunächst in „Erkenne

Dich selbst“

2

, in der „Naturphilosophie“ wird sie in ihrer ganzen

ontologischen Weite geklärt

3

: die Natur wird als Seinsbereich von

höchster Fülle erfaßt, begabt mit herrlichen Gaben, mit Licht und

Farben, Klängen und Rhythmen, mit Wärme, gewaltigen Kräften,

überschäumend in Gestaltungsdrang und doch voll innerem Maß

und höchster Beharrlichkeit. Dem Geiste wesenhaft fremd, ist sie

ihm doch in „Gezweiung höherer Ordnung“ durch die gemeinsame

Urmitte verbunden. Die vermittelnden Fäden werden erkennbar als

immaterielle (zeitlose, stofflose, vorräumliche) Wurzeln der Natur

und durch die Sinnbildlichkeit ihrer Eigenschaften. In diesen Tiefen

vermag sich der Geist dem Stoffe zu nähern, ja sich ihm zu verbin-

den, wie die organische Welt es beweist. Und diese Verbindung, die

das irdische Dasein beherrscht, muß einen tiefen Sinn erfüllen: die

Natur läutert sich am Geist, der Geist festigt sich an ihrer Beharr-

lichkeit.

So deutet Spann in dieser zweiten Umarbeitung des „Gespräches“

bereits früher (Seite 89) einen „hohen Stil des Lebens“ an, in wel-

chem höchste Geistigkeit und tiefe Erfülltheit mit den inneren Wer-

ten der Natur einander durchdringen und steigern. Ausdrücklich

betont er (Seite 96): „Die Frucht sinnlicher Erfahrung..., weil sie

eine Ausbildung des Geistes bedeutet, wird bleiben.“ Und Seite 126

spricht er von einem „Gemeinleben der Seele mit der Natur“, das sich

nur in erhöhten Zuständen offenbare. — Es ist natürlich nicht daran

zu denken, daß Spann von der Würde und vom Vorrang des Geistes

das geringste preisgegeben hätte. Selbstverständlich hielt er daran

fest, daß der Geist der stofflichen Welt unendlich überlegen und

seinem Wesen nach leibfrei sei. Aber er hatte für dieses irdische

Dasein eine durchaus bejahende Erklärung gefunden. Er konnte

l Othmar Spann: Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 282.

2

Othmar Spann: Erkenne Dich selbst, Jena 1935, S. 201 ff.

3

Othmar Spann: Naturphilosophie, Jena 1937, S. 253 ff.