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sollten zwei völlig beziehungslose Wesenheiten aufeinander wirken?
Sofern sie es können, müssen beide in diesem Gemeinsamen befaßt
sein: der Dualismus enthüllt sich als Trialismus. Hier wurzelt ja
auch das Erlebnis der „Gezweiung“, das die Verbindung der Glieder
in einem Höheren als Grundlage alles geistigen Lebens erkennt. Mit
fast erschreckender Schärfe wird dann diese Verbundenheit im
Höheren unterstrichen durch die Feststellung der Kategorienlehre
(Lehrsatz 17): „Gezweiung hat die Weise der Beziehungslosigkeit
oder Unberührbarkeit der. .. Glieder“
1
. Von hier war es aber nicht
mehr weit zu dem großen Gedanken einer „Gezweiung höherer Ord-
nung“ zwischen Geist und Stoff, wie sie im „Schöpfungsgange“ (1928)
schon weitgehend durchdacht ist. Und doch war alles dies nicht
möglich ohne ein tiefinneres Erlebnis und eine neue Sicht der Natur.
Rein vital begegnet uns die neue Haltung zunächst in „Erkenne
Dich selbst“
2
, in der „Naturphilosophie“ wird sie in ihrer ganzen
ontologischen Weite geklärt
3
: die Natur wird als Seinsbereich von
höchster Fülle erfaßt, begabt mit herrlichen Gaben, mit Licht und
Farben, Klängen und Rhythmen, mit Wärme, gewaltigen Kräften,
überschäumend in Gestaltungsdrang und doch voll innerem Maß
und höchster Beharrlichkeit. Dem Geiste wesenhaft fremd, ist sie
ihm doch in „Gezweiung höherer Ordnung“ durch die gemeinsame
Urmitte verbunden. Die vermittelnden Fäden werden erkennbar als
immaterielle (zeitlose, stofflose, vorräumliche) Wurzeln der Natur
und durch die Sinnbildlichkeit ihrer Eigenschaften. In diesen Tiefen
vermag sich der Geist dem Stoffe zu nähern, ja sich ihm zu verbin-
den, wie die organische Welt es beweist. Und diese Verbindung, die
das irdische Dasein beherrscht, muß einen tiefen Sinn erfüllen: die
Natur läutert sich am Geist, der Geist festigt sich an ihrer Beharr-
lichkeit.
So deutet Spann in dieser zweiten Umarbeitung des „Gespräches“
bereits früher (Seite 89) einen „hohen Stil des Lebens“ an, in wel-
chem höchste Geistigkeit und tiefe Erfülltheit mit den inneren Wer-
ten der Natur einander durchdringen und steigern. Ausdrücklich
betont er (Seite 96): „Die Frucht sinnlicher Erfahrung..., weil sie
eine Ausbildung des Geistes bedeutet, wird bleiben.“ Und Seite 126
spricht er von einem „Gemeinleben der Seele mit der Natur“, das sich
nur in erhöhten Zuständen offenbare. — Es ist natürlich nicht daran
zu denken, daß Spann von der Würde und vom Vorrang des Geistes
das geringste preisgegeben hätte. Selbstverständlich hielt er daran
fest, daß der Geist der stofflichen Welt unendlich überlegen und
seinem Wesen nach leibfrei sei. Aber er hatte für dieses irdische
Dasein eine durchaus bejahende Erklärung gefunden. Er konnte
l Othmar Spann: Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 282.
2
Othmar Spann: Erkenne Dich selbst, Jena 1935, S. 201 ff.
3
Othmar Spann: Naturphilosophie, Jena 1937, S. 253 ff.