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,Wie herrlich, daß wir uns wieder haben', rief der Ältere namens
Wolfdietrich.
,Das verdanken wir dem Kriegsgotte, er führt uns verschlungene
Pfade', antwortete der andere.
,Wohl um den Knoten unseres Seins unauflöslich zu schlingen, ehe
er ihn zerhaut...'
,Oder, weil er nun einmal bunte Farben auf seiner Palette hat. Er
mischt nicht nur rot in rot, auf dem Schlachtfelde, sondern auch blau
in blau, auf den Märschen, in denen er uns in vorher unbedachte,
blaue Fernen abenteuern läßt.'
,Und woher abenteuerst Du — wohin? Erzähle!'
Hastig tauschten sie kurze Berichte über ihre Schicksale aus, welche
sie beide, wie ihnen übrigens bekannt war, nach einigen weiten Irr-
fahrten glücklich in das gelehrte Leben zurückgeführt hatten. Im
Kriege waren beide bereits verwundet worden, beide trugen an der
Brust eine Auszeichnung mit gekreuzten Schwertern, dem Zeichen,
daß sie im Felde und nicht am Schreibtische verdient war. Aber das
sind Dinge, von denen der Krieger nicht gerne spricht. Die Erin-
nerung an so aufwühlende Dinge wird nicht leicht geweckt. Der Tap-
fere rühmt sich nicht. Das Wort ,Held‘ hört man in den vorderen
Schlachtreihen nicht.
Sie brannten darauf, einander Rechenschaft von ihrem Streben
abzulegen. Dazu forderte sie überdies auch das Leben im Stellungs-
kriege auf, das einerseits gebunden und leer ist, andererseits aber
abenteuerlich und von der heftigsten Anregung erfüllt, den letzten
Dingen nachzuhängen.
Hier läßt, wie Platon sagt, der Fuß der Unsterblichen mehr als
nur eine Spur zurück!
,Aldiger‘, sagte Wolfdietrich bei einer Wendung des Gespräches,
,wir lassen natürlich diese glückliche Begegnung nicht ungenutzt vor-
übergehen. Dein Name ist ja auch der Dantes, welcher durch Himmel
und Hölle führt. Wir wollen Deinem Namen treu bleiben und dem
Andenken der alten Zeit die heutige Nacht widmen. Wie oft sind wir
als Studenten über die Berge gewandert und haben zwischen Eichen-
dorffischen Gedichten und Naturbewunderung noch begeisterter den
Tag und die Nacht dazu, mit nie endenden Aussprachen über Wesen
und Sinn der Welt und des Lebens verbracht.'
,Das müssen wir', rief Aldiger freudig, ,ja, das müssen wir, mein
lieber Wolf Dietrich! Nichts Schöneres könnten wir beginnen hier im
Felde, wo wir so lange schon aller geistigen Nahrung entwöhnt sind.
Dazu müßte uns ja ebenso der Genius D e i n e s Namens, mein Lieber,
bestimmen. Denn der alte Held Wolfdietrich, so berichtet die Sage,
hat in Einer Nacht alle seine Sünden abgebüßt, indem er in ihr alle
Kämpfe seines Lebens nochmals durchkämpfte und dann für tot weg-
getragen wurde.'
,Ja, die Sage trifft doch wunderbar in das Herz der Dinge', er-
widerte der Angeredete beglückt. ,Bei allem Heldentume kommt es
auf den Ernst an, mit dem wir unser eigenes Selbst darangeben. Das
Heldentum des Schwertes und des Gedankens ist zuletzt das gleiche.