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genannte Art von Abhängigkeitsverhältnissen der psychischen oder
psychophysischen Elemente eines Zweckzusammenhanges kann das
Thünensche Gesetz dienen, das das Verhältnis ausdrückt, in welchem
die Entfernung vom Marktorte die Intensität der Landwirtschaft
bedingt. „Solche Abhängigkeiten werden naturgemäß gefunden und
dargestellt in dem Zusammenwirken der Analysis des [Kultur-]
Systems, mit dem Schlusse aus der Natur der Wechselwirkung der
psychischen... Elemente, sowie der Bedingungen von Natur und
Gesellschaft, unter denen sie stattfindet.“
1
Die Abhängigkeiten der
zweiten Art sind solche engeren Umfanges. So ist ein Dogma in-
nerhalb eines religiösen Systems nicht unabhängig von den anderen
Sätzen, die in demselben mit ihm vereinigt sind.
Die ä u ß e r e O r g a n i s a t i o n d e r G e s e l l s c h a f t . Da
eine ungestörte freie Wechselbeziehung der Individuen im Zweck-
zusammenhange durch die Eigenartigkeit der menschlichen Natur
ausgeschlossen ist, so gesellen sich zu diesem einfachen „aufeinander
bezogenen Tun der einzelnen“ noch „ k o n s t a n t e B e z i e -
h u n g e n “ hinzu. Dadurch erhält der Zweckzusammenhang die
Struktur eines Verbandes von Willenseinheiten, einer O r g a n i -
s a t i o n . Die äußere Organisation der Gesellschaft entsteht also,
„wenn dauernde Ursachen Willen zu einer Verbindung im ganzen
vereinen“
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; ihre Formen sind: Staat, Kirche, Familie und Verbände
überhaupt. Die Funktionen des so entstehenden G e s a m t w i l -
l e n s sind es also, welche die „konstanten Beziehungen“ ausmachen,
die zu den Wechselbeziehungen in den Kultursystemen hinzukom-
men und die „äußerliche Organisation der Gesellschaft“ bedeuten.
Die psychologischen Grundlagen der äußeren Organisation liegen
letztlich in den psychischen Tatsachen „zweiter Ordnung“: Bedürf-
nis und Gefühl von Gemeinschaft, sowie Bewußtsein von Herrschaft
und Abhängigkeit (Interesse und Zwang). Die Wissenschaften von
der äußeren Organisation der Gesellschaft sind die Staatswissen-
schaften, welchen die allerdings ganz problematische Stein-Mohlsche
wodurch der Rückfall ins Psychologische und die Berufung auf spätere erkennt-
nistheoretische Grundlegung.
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Wilhelm Dilthey: Einführung in die Geisteswissenschaft, Bd 1, Leipzig 1883,
S. 55 f.
2
Wilhelm Dilthey: Einführung in die Geisteswissenschaft, Bd 1, Leipzig 1883,
S. 54.